Volle Werbungskosten für Studium und Ausbildung
Die Kosten für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium sind nach Ansicht des Bundesfinanzhofs steuergünstig als Werbungskosten abziehbar (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 2014, Aktenzeichen: VI R 2/12 und VI R 8/12). Denn der BFH hält eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2011 für verfassungswidrig, nach der diese Kosten unter die begrenzten Sonderausgaben fallen. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Mit diesen Beschlüssen besitzen Steuerzahler eine neue Waffe im seit Jahren schwelenden Kampf um den Steuerabzug von Studienkosten. Der BFH hatte den Werbungskostenabzug bereits Mitte 2011 erlaubt. Die Bundesregierung kippte diese Entscheidung Ende 2011 mit einer "Gesetzesklarstellung". Gegen diese Gesetzesänderung richten sich die aktuellen BFH-Beschlüsse.
Die BFH-Richter kritisierten in ihrer Urteilsbegründung, dass der Ausschluss des Werbungskostenabzugs gegen die im Grundgesetz verankerte Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verstoße (Artikel 3 Abs. 1 GG); die Werbungskosten seien als Existenzsicherung einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Der Sonderausgabenabzug in Höhe von 6.000 Euro hingegen reiche nicht aus. Zumal dieser Abzug bei Auszubildenden und Studenten meist wirkungslos sei (warum, siehe Artikel "Mit dem Studium langfristig Steuern sparen").
Wer das Ausbildungs-Urteil nutzen kann
Es muss sich um die erste Ausbildung oder das erste Studium unmittelbar nach dem Schulabschluss handeln.
Außerdem muss ein Zusammenhang zwischen der Ausbildung und der späteren Berufstätigkeit bestehen. Sprich: Wer seinen Bachelor in Germanistik macht und dann jahrelang Taxi fährt, kann seine gesammelten Verluste aus dem Studium nicht mit dem Taxigehalt verrechnen.
Was Betroffene jetzt tun sollten
Wenn Sie in den vergangenen Jahren Studienkosten als Werbungskosten geltend gemacht und gegen einen ablehnenden Steuerbescheid Einspruch eingelegt haben, brauchen Sie nichts weiter zu tun. Sie profitieren automatisch von den aktuellen Urteilen und von einer etwaigen steuerzahlerfreundlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Wenn Sie während Ihres Studiums keine Steuererklärungen abgegeben haben, können Sie dies eventuell nachholen. Eine Abgabe ist für die 4 vergangenen Steuerjahre möglich. Während 2014 können Sie also noch Steuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2013 beim Finanzamt einreichen. Machen Sie darin Ihre Ausbildungskosten geltend. Welche Ausgaben darunter fallen, steht im Artikel "Typische Werbungskosten und Sonderausgaben für Studenten".
Falls das Finanzamt Ihre Studiumskosten streicht, legen Sie mit unserem gezielten Musterschreiben Einspruch gegen Ihren Steuerbescheid ein, siehe Abschnitt unten.
Wie Sie Ausbildungskosten in Ihrer Steuererklärung angeben
Besorgen Sie sich die Formulare beim Finanzamt oder im Internet auf dem Formularserver des Bundesfinanzministeriums (BMF).
Wenn Sie keine weiteren Einkünfte haben, benötigen Sie für jedes Jahr den jeweiligen Mantelbogen und die Anlage N.
So füllen Sie den Mantelbogen aus (alle Zeilenangaben beziehen sich noch auf das Jahr 2010):
- Tragen Sie die üblichen Daten wie Vor- und Zuname, Steuernummer, Adresse und Bankverbindung ein (Zeilen 3 bis 24).
- Kreuzen Sie an, welche anderen Formulare Sie der Steuererklärung beigefügt haben (Zeilen 31 bis 38).
- Machen Sie Ihre Werbungskosten fürs Studium oder die Berufsausbildung für das Jahr 2010 auf der Seite 2 der Anlage N in der Zeile 49 geltend.
- In den Zeilen 6, 7 und 8 tragen Sie jeweils 0 Euro ein, wenn Sie das gesamte Jahr 2010 keinen Lohn oder Gehalt bezogen und somit auch keine Steuern gezahlt haben.
Einspruch eventuell nötig - mit Musterschreiben
Das Finanzamt wird möglicherweise alle Studiumskosten streichen, die Sie in der Einkommensteuererklärung aufgeführt haben. Legen Sie gegen Ihren Steuerbescheid innerhalb eines Monats ab Erhalt Einspruch ein. Verweisen Sie darin auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs. Ihr Steuerfall bleibt dadurch offen, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat.
Steuer-Tipp: Laden Sie sich unseren kostenlosen Mustereinspruch für Studiums- und Ausbildungskosten herunter, den wir für die aktuellen BFH-Urteile erstellt haben (Word-Datei, Größe: 24 KB).
Studienkosten in zukünftigen Jahren?
In der Vergangenheit hat der Gesetzgeber jegliche beanstandeten Regelungen zu Studiumskosten schnell geändert. Ziel war es, einen Werbungskostenabzug für die Berufsausbildung oder das Studium nach der Schule zu verhindern. Daher ist anzunehmen, dass die Regierung auch jetzt eine Lücke oder einen Trick suchen wird. Allerdings hat sie geringen Spielraum: Der BFH hat sich klar für einen Werbungskostenabzug ausgesprochen. Und eindeutige Werbungskosten lassen sich nur beschränkt vom steuerlichen Abzug ausschließen.
Steuer-Tipp: Wenn Sie noch studieren oder sich ausbilden lassen, sammeln Sie weiterhin alle Belege für Ihre Ausgaben. Machen Sie sämtliche Aufwendungen geltend, die Ihnen durch Ihr Studium entstehen. Falls das Finanzamt die Kosten ablehnt, legen Sie Einspruch gegen Ihren Steuerbescheid ein. Wir halten Sie gerne über weitere Gründe, Aktenzeichen und zukünftige Gerichtsverfahren auf dem Laufenden, wenn Sie sich jetzt für unseren kostenlosen Steuer-Newsletter anmelden.
Warum der BFH 2011 den Werbungskostenabzug erlaubte
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat schon 2011 entschieden, dass die Kosten für eine Berufsausbildung oder ein Erststudium unmittelbar nach einem Schulabschluss in voller Höhe Steuern mindernd absetzbar sind. Damit kippte das oberste deutsche Finanzgericht die seit 2004 geltende Regelung in § 12 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG), nach der sich Studienkosten nicht als vorweggenommene Werbungskosten voll anrechnen ließen, sondern nur als Sonderausgaben, begrenzt auf damals 4.000 Euro pro Jahr.
In einem der beiden entschiedenen Fällen zum Beispiel ging es um einen Berufspiloten, bei dem allein der Eigenanteil an den Ausbildungskosten 28.000 Euro ausgemacht hatte (BFH-Urteil vom 28. Juli 2011, Aktenzeichen: VI R 38/10). Im anderen Fall hatte eine junge Frau direkt nach dem Abitur ein Medizinstudium aufgenommen (Aktenzeichen: VI R 7/10). Beide machten ihre Studienkosten als vorweggenommene Werbungskosten geltend. Da sie keine Einnahmen hatten, beantragten sie einen Verlustvortrag.
Die BFH-Richter bestätigten dies. Aus dem § 12 Nr. 5 EStG sei kein generelles Abzugsverbot abzulesen. Der Paragraf regele ausdrücklich, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium bei den einzelnen Einkunftsarten und vom Gesamtbetrag der Einkünfte nur dann nicht abgezogen werden dürften, wenn in § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht etwas anderes geregelt sei. Nach diesem Paragrafen aber gilt der Grundsatz: Aufwendungen sind nur dann als Sonderausgaben abziehbar, wenn nicht der vorrangige Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug zur Anwendung kommt.
In beiden vorliegenden Fällen seien die Kosten der Ausbildung eindeutig durch die spätere Berufstätigkeit der Kläger veranlasst, fuhren die Richter fort. Daher müssten sie als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden.
Mehr Tipps zum Thema in diesen Rubriken: Arbeitnehmer, Ausbildung, Studenten, Verlustverrechnung, Werbungskosten