Solidaritätszuschlag ist verfassungsgemäß
Das Bundesverfassungsgericht hat den Solidaritätszuschlag für verfassungsgemäß erklärt und sich damit gegen die Meinung des Niedersächsischen Finanzgerichts gestellt (BVerfG-Beschluss vom 8. September 2010, Aktenzeichen: 2 BvL 3/10). Die Verfassungsrichter in Karlsruhe widersprachen in ihrer Urteilsbegründung ausdrücklich den Überlegungen, dass der Solidaritätszuschlag als eine so genannte Ergänzungsabgabe nur zeitlich befristet erhoben werden dürfe.
Was Betroffene jetzt tun müssen: Wer Einspruch gegen den Solidaritätszuschlags eingelegt hat oder wessen Steuerbescheid vom Finanzamt automatisch in diesem Punkt offen gehalten wurde, braucht nichts zu tun: Die Steuerbescheide werden automatisch rechtskräftig.
Wer jedoch außerdem "Aussetzung der Vollziehung" beantragt hat und den Solidaritätszuschlag (5,5 Prozent der Einkommen-, Kapitalertrag- oder Körperschaftsteuer) noch nicht ans Finanzamt überwiesen hat, bekommt bald einen geänderten Steuerbescheid. Aus diesem gehen der fällige Steuerbetrag und die Zahlungsfrist hervor. Bis zu diesem Termin müssen Betroffene den Betrag auf das Konto des Finanzamts überweisen.
Nachfolgend der ursprüngliche, jetzt hinfällige Artikel zum FG-Urteil:
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hält den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig und hat für ein endgültiges Urteil das Bundesverfassungsgericht angerufen (FG-Urteil vom 25. November 2009, Aktenzeichen: 7 K 143/08). Das FG-Urteil wirkt bis ins Jahr 2007 zurück. Alle Steuerzahler können somit auf eine Steuererstattung für mehrere Jahre hoffen, sofern sie rechtzeitig Einspruch gegen ihren Steuerbescheid einlegen und diesen dadurch offen halten.
Der Solidaritätszuschlag, verkürzt auch "Soli-Zuschlag" oder nur "Soli" genannt, beträgt zurzeit 5,5 Prozent der Steuerschuld. Wer zum Beispiel jedes Jahr 8.000 Euro Einkommen-, Kapitalertrag- und/oder Körperschaftsteuer zu zahlen hat, muss zusätzlich 440 Euro für den Soli aufbringen. Über mehrere Jahre gesehen kommt schon bei niedrigen Einkommen eine Abgabe von über 1.000 Euro zusammen.
Steuer-Tipp: Legen Sie Einspruch gegen alle noch offenen Steuerbescheide seit 2007 ein! Nur so haben Sie Anspruch auf eine Rückerstattung, falls das BVerfG den Solidaritätszuschlag später für verfassungswidrig erklärt. Die Wahrscheinlichkeit solch eines steuerzahlerfreundlichen Urteils ist zwar mit unter 50 Prozent einzuschätzen. Jedoch ist ein Einspruch kostenlos und mit unserem nachfolgenden Musterschreiben sehr einfach.
Wann Sie Einspruch gegen den Soli-Zuschlag einlegen dürfen
Ein Einspruch ist dann möglich, wenn der Steuerbescheid noch nicht rechtskräftig ist. Dafür sind zwei Gründe denkbar:
1. Die Einspruchsfrist von einem Monat ab Erhalt des amtlichen Bescheids ist noch nicht abgelaufen.
2. Der Steuerbescheid ist automatisch offen geblieben oder Sie haben schon aus anderen Gründen Einspruch eingelegt. Eine Entscheidung des Finanzamts oder das Urteil eines Gerichts stehen noch aus. Steuer-Tipp: Reichen Sie Ihren neuen Einspruch gegen den Solidaritätszuschlag schnell nach! Denn der Grund für den offenen Steuerbescheid könnte jederzeit wegfallen, wodurch der Bescheid rechtskräftig würde und ein Nachreichen nicht möglich wäre.
Wie Sie Einspruch gegen den Soli-Zuschlag einlegen
1. Laden Sie sich hier unser kostenloses Musterschreiben für Ihren Einspruch gegen den Solidaritätszuschlag herunter (Word-Datei, Größe: 31 KB) und öffnen Sie die Datei mit einem Textverarbeitungsprogramm.
2. Tragen Sie Ihren Namen, Adresse, Steuernummer etc. in das Musterschreiben ein.
3. Durch die schräggedruckten Wörter haben wir offen gehalten, ob Sie als Lediger oder Verheirateter Einspruch einlegen. Löschen Sie die Ausdrücke, die auf Sie nicht zutreffen.
4. Mit dem Absatz zum "Ruhen des Verfahrens" beantragen Sie, dass Sie jetzt keinen Solidaritätszuschlag bezahlen müssen, sondern erst in einigen Jahren, nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Wenn Sie diesen Antrag nicht stellen möchten, streichen Sie den Absatz. Die Vor- und Nachteile sind im nächsten Abschnitt dieses Artikels erklärt.
5. Prüfen Sie noch mal, ob alle Angaben stimmen.
6. Drucken Sie das Dokument aus.
7. Unterschreiben Sie Ihren Antrag.
8. Schicken Sie den frankierten Brief an Ihr Finanzamt.
Wenn Sie diese Punkte befolgt haben, bleibt Ihr Steuerfall so lange offen, bis das Verfassungsgericht in Karlsruhe entschieden hat.
Wichtiger Hinweis für Kapitalanleger: Der Solidaritätszuschlag wird auch auf die Abgeltungsteuer erhoben, die seit 2009 gilt. Ein normaler Einspruch gegen den Steuerbescheid reicht jedoch nicht aus, um sich vor dem Soli auf Kapitaleinkünfte zu schützen. Denn es handelt sich um eine Quellensteuer, die direkt von der Bank an den Fiskus fließt. Kapitalanleger können nur dann gegen den Soli Einspruch einlegen, wenn sie sich gegen die Abgeltungsteuer entscheiden und freiwillig eine Steuererklärung für Kapitaleinkünfte abgeben. Ob sich das lohnt, sollten Anleger mit ihrem Steuerberater besprechen.
Ruhen des Verfahrens: Soli-Zuschlag jetzt zahlen oder später?
Trotz Ihres Einspruchs müssen Sie den Solidaritätszuschlag ans Finanzamt abführen. Sollte die Verfassungsklage in Karlsruhe Erfolg haben, erstattet das Finanzamt Ihnen den Betrag samt Zinsen.
Sie können jedoch einen Zahlungsaufschub erhalten, indem Sie in Ihrem Einspruchsschreiben ein "Ruhen des Verfahrens" beantragen, auch "Aussetzung der Vollziehung" genannt. Wenn das Finanzamt diesem Antrag stattgibt, brauchen Sie jetzt nur den Steuerbetrag zu überweisen, der unstrittig ist. Doch Achtung: Sollte das Bundesverfassungsgericht in ein paar Jahren die Klage abweisen, müssten Sie den Solidaritätszuschlag für alle fraglichen Jahre plus Aussetzungszinsen von sechs Prozent pro Jahr ans Finanzamt nachzahlen.
Steuer-Tipp: Die Aussicht auf ein steuerzahlerfreundliches Verfassungsurteil liegt bei unter 50 Prozent. Beantragen Sie nur dann eine Aussetzung der Vollziehung, wenn Sie das "gesparte" Geld mit mehr als sechs Prozent Rendite anlegen können oder wenn Sie das Geld jetzt dringend brauchen! Stellen Sie sicher, dass Sie den Betrag problemlos aufbringen können, falls Sie ihn in ein paar Jahren nachzahlen müssen!
Bleibt der Steuerbescheid automatisch offen?
In vergleichbaren Steuerfragen war es bislang üblich, dass neue Steuerbescheide im strittigen Punkt automatisch offen blieben, sodass ein Einspruch nicht nötig war. Damit ist auch für den Solidaritätszuschlag zu rechnen. Andernfalls würden die Finanzämter in massenhaften Einspruchsschreiben ertrinken oder zumindest unnötig belastet. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach sich bereits dafür aus, den Soli nur noch vorläufig zu erheben.
Steuer-Tipp: Sobald eine solche Regelung gilt, prüfen Sie Ihren Einkommensteuerbescheid darauf, ob er in Bezug auf den Solidaritätszuschlag als vorläufig vermerkt ist. Nur wenn ein solcher Hinweis fehlt, ist ein Einspruch erforderlich. Ein Vorläufigkeitsvermerk bedeutet übrigens keinen Zahlungsaufschub. Um den zu erhalten, müssten Sie weiterhin eine Aussetzung der Vollziehung beantragen, siehe oben und im Musterschreiben.
Hintergrund zum Soli-Zuschlag
Der Solidaritätszuschlag von derzeit 5,5 Prozent ist ein Zuschlag zur Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer. Er wird erhoben, wenn die festgesetzte Jahreseinkommensteuer mehr als 972 Euro bei Ledigen und 1.944 Euro bei zusammenveranlagten Ehepaaren liegt. Die Steuereinnahmen aus dem Soli stehen allein dem Bund zu.
Die Einführung des Solidaritätszuschlags im Jahr 1991 wurde mit den Kosten der deutschen Einheit sowie der beträchtlichen Ausgaben für den Golfkrieg und für eine Unterstützung der mittel-, ost- und südosteuropäischen Länder begründet. Dennoch sind die Einnahmen aus der Zusatzsteuer nicht zweckgebunden.
Vom 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1992 betrug der Zuschlag 7,5 Prozent der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Da der Solidaritätszuschlag jedoch nur 6 Monate erhoben wurde, ergab sich eine Belastung von 3,75 Prozent. In den Jahren 1993 und 1994 wurde kein Solidaritätszuschlag berechnet, 1995 wurde er wieder eingeführt. Von 1995 bis 1997 betrug der Zuschlag reale 7,5 Prozent und wurde 1998 auf 5,5 Prozent gesenkt.
Warum das Finanzgericht gegen den Soli entschied
Die FG-Richter aus Niedersachsen begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Ergänzungsabgabe nach dem Solidaritätszuschlagsgesetz spätestens ab dem Jahr 2007 ihre verfassungsrechtliche Berechtigung verloren habe. Eine Ergänzungsabgabe solle laut Gesetz nur vorübergehende Bedarfsspitzen decken. "Mit dem Solidaritätszuschlag sollen die Kosten der deutschen Einheit finanziert werden. Hierfür besteht nach Auffassung des Gerichts kein vorübergehender, sondern ein langfristiger Bedarf. Dieser darf nicht durch die Erhebung einer Ergänzungsabgabe gedeckt werden", teilte das Gericht mit.
Der Musterprozess vor dem Finanzgericht Niedersachsen wurde vom Bund der Steuerzahler (BdSt) unterstützt. Der BdSt hatte bereits 2006 das Bundesverfassungsgericht angerufen (Aktenzeichen 2 BvR 1708/06). Doch die Richter beschlossen am 11. Februar 2008, die Verfassungsbeschwerde ohne Begründung nicht zur Entscheidung anzunehmen. In Hinblick auf diese Niederlage sagte BdSt-Präsident Karl Heinz Däke nach dem FG-Urteil: "Wir sind zuversichtlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht nun eindeutig zum Solidaritätszuschlag positionieren wird."
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