Elterngeld-Empfängern droht hohe Steuernachforderung
Viele Eltern wissen nicht, dass sie eine Steuererklärung abgeben müssen, wenn sie im Jahr mehr als 410 Euro Elterngeld vom Staat erhalten und über weitere Einkünfte verfügen. Schlimmstenfalls drohen ein Steuerstrafverfahren und ein hohes Bußgeld, wenn das Finanzamt sie erwischt. Bestenfalls ist nur eine Steuernachzahlung fällig. Solch eine Nachzahlung kann sich bei einem gut verdienenden Ehepaar auf über 2.800 Euro belaufen (siehe die Beispielrechnung weiter unten). Auch Alleinerziehende sind betroffen, wenn sie neben dem Elterngeld zum Beispiel Renten, Mieten oder Beteiligungsgewinne beziehen.
Bislang seien solche schläfrigen Eltern selten aufgefallen, obwohl es bereits Möglichkeiten zum Austausch der beteiligten Ämter gebe, erfuhr der Steuer-Schutzbrief von einem Eingeweihten aus der Finanzverwaltung. Doch seit 2010 dürfte sich der Austausch zwischen Elterngeldstellen und Finanzämtern wegen der dauerhaften Steueridentifikationsnummer deutlich verbessern. Sobald die Elterngeldstelle Eltern letztmalig den Zuschuss für ein Kind gezahlt hat, soll sie automatisch die Empfängernamen, Adresse, Steueridentifikationsnummer, Bezugszeitraum und Höhe des Elterngelds an das Finanzamt weiterleiten, welches für das Elternpaar zuständig ist.
Zwar wird der "schlimmste Fall" kaum eintreten - die Finanzämter werden nicht gleich ein Strafverfahren eröffnen. Vielmehr fragen sie erst einmal freundlich bei den Elterngeldbeziehern nach und erinnern sie daran, eine Steuererklärung abzugeben. Doch selbst dieses steuerzahlerfreundliche Verhalten wird viele Eltern vor Probleme stellen. Denn die Abgabefrist reicht oft nicht aus, um sämtliche Unterlagen zusammenzutragen und eine bestmögliche Steuererklärung abzugeben.
Steuer-Tipp: Stellen Sie als Eltern alle notwendigen Dokumente zusammen, bevor sich das Finanzamt bei Ihnen meldet. Nutzen Sie alle Möglichkeiten zum Steuersparen. Wenden Sie sich gegebenenfalls an einen Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein.
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Warum das Elterngeld die Steuerlast erhöht
Hintergrund: Seit 2007 unterstützt der Staat Eltern nach der Geburt ihres Kinds mit einem Zuschuss, höchstens 14 Monate lang. Dieses Elterngeld beträgt zwei Drittel dessen, was der betreuende Elternteil während des Jahrs vor der Geburt durchschnittlich netto verdient hat. Es beträgt mindestens 300 Euro und höchstens 1.800 Euro pro Monat für ein einzelnes Kind.
Das Elterngeld selbst ist steuerfrei, doch es unterliegt dem Progressionsvorbehalt. Das heißt, dass es den persönlichen Steuersatz der Eltern erhöht. Andere Einkünfte sind höher zu versteuern. Indirekt steigert das Elterngeld also die Steuerlast. Deshalb sind Eltern dazu verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, wenn sie mehr als 410 Euro Elterngeld im Jahr erhalten und weitere Einkünfte haben. Wer das nicht weiß oder es zwischen Windelnwechseln und schlaflosen Nächten vergisst, der riskiert Ärger mit dem Finanzamt und muss sich darauf einstellen, Steuern nachzuzahlen.
Wegducken und hoffen, ist keine Lösung
Dieser Ärger kann mehrere Jahre zurückwirken. Beispiel: Ein Ehepaar erhielt 14 Monate lang je 1.000 Euro Elterngeld. Erster Anspruchsmonat war Dezember 2008, letzter Monat Januar 2010. Anfang 2010, also irgendwann nach der letzten Zahlung, informiert die Elterngeldstelle das Finanzamt der Eltern über Bezugszeitraum und Höhe des Zuschusses. Mitte 2010 wacht das zuständige Finanzamt auf und gibt den Eltern meist vier Wochen Zeit, um die Einkommensteuererklärung für 2008 nachzuliefern.
Selbst wenn es diesen Austausch zwischen den Ämtern nicht gäbe oder wenn sich niemand im Finanzamt um die Mitteilungen der Elterngeldstellen kümmern würde: Das Entdeckungsrisiko steigt stetig, denn das Finanzamt verfügt bereits über die wichtigsten Informationen. Zudem geht es um eine Menge Geld. Irgendwann würde ein Beamter auf einen nahe liegenden Gedanken kommen:
"Das Elterngeld gibt es seit dem 1. Januar 2007. Vergleichen wir mal, welche unserer Kunden Kindergeld bezogen haben für ein Kind in diesem Alter. Haben die Eltern eine Steuererklärung abgegeben? Haben sie darin das Elterngeld aufgeführt? Nein? Dann fragen wir doch mal nach."
Wann vergessliche Eltern auf der sicheren Seite wären, hängt vom Vorwurf ab. Der härteste Vorwurf ist die Steuerhinterziehung. Die strafrechtliche Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre, die steuerliche 10 Jahre. Für den Bezugszeitraum 2007 wären Eltern demnach am 1. Januar 2018 auf der sicheren Seite.
Beispiel: Über 2.800 Euro Steuern nachzuzahlen
Wie sich der Progressionsvorbehalt des Elterngelds auf die Steuerlast einer Familie auswirkt, zeigt die folgende Beispielrechnung. Das gutverdienende Ehepaar Max und Ingrid Fröhlich lebt in Köln und hat eine Tochter bekommen. Ingrid Fröhlich will sich zunächst dem Nachwuchs widmen, bleibt deshalb im Jahr 2010 zu Hause und bekommt monatlich den Höchstsatz von 1.800 Euro Elterngeld. Die Eheleute werden zusammenveranlagt.
Beispielrechnung für die Steuerprogression durch das Elterngeld:
Steuerrechnung der Eheleute Fröhlich im Jahr 2010 | |
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Gehalt Max Fröhlich | 65.000 Euro |
persönlicher Steuersatz | 19,78 Prozent |
einbehaltene Lohnsteuer (19,78 Prozent auf 65.000 Euro; mal 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag und 9 Prozent Kirchensteuer) | 14.721 Euro |
Steuerrechnung des Finanzamts nach Eingang der Einkommensteuererklärung 2010 | |
Gehalt Max Fröhlich | 65.000 Euro |
Elterngeld 12 x 1.800 Euro | 21.600 Euro |
Summe | 86.600 Euro |
bei diesem Einkommen beträgt der durchschnittliche Steuersatz | 23,61 Prozent |
Neu ermittelter durchschnittlichen Steuersatz, angewendet auf Max Fröhlichs Einkommen im Jahr 2010 | |
Gehalt Max Fröhlich | 65.000 Euro |
Einkommensteuer (23,61 Prozent auf 65.000 Euro; mal 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag und 9 Prozent Kirchensteuer) | 17.572 Euro |
bereits gezahlte Lohnsteuer | - 14.721 Euro |
nachzuzahlende Einkommensteuer 2010 (einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) | 2.851 Euro |
Fazit: Der 2011 eintreffende Steuerbescheid für das Jahr 2010 erschreckt die Familie Fröhlich. Sie müssen zusätzlich 2.851 Euro ans Finanzamt überweisen, womit sie überhaupt nicht gerechnet hatten.
Getrennte Veranlagung als Lösung?
Angesichts dieser Beispielrechnung stellt sich die Frage, ob es sich für betroffene Eltern lohnt, sich getrennt veranlagen zu lassen. Dieser Tipp ist zumindest häufiger zu lesen.
Vorteil: Der Progressionsvorbehalt des Elterngelds wirkt sich nur auf den Empfänger aus, im Beispielfall auf Ingrid Fröhlich. Da sie keine weiteren Einkünfte hat, läuft die Progression ins Leere. Das Elterngeld wäre für sie vollständig steuerfrei.
Nachteile: Jeder Ehepartner wird wie ein Lediger (hoch) versteuert. Max Fröhlich im Beispielfall erhielte einen Steuersatz von 29,4 Prozent und müsste 21.902 Euro Steuern zahlen (einschließlich Soli-Zuschlag und Kirchensteuer).
Diese Rechnung bezieht sich nur auf ein volles Steuerjahr. Wenn das Kind Mitte des Jahres geboren wird, vergrößert sich der Nachteil. Die Art der Veranlagung lässt sich nur für ein volles Jahr wählen, Max Fröhlich wäre also zwei volle Kalenderjahre ungünstig getrennt veranlagt.
Durch die getrennte Veranlagung ist es nicht mehr möglich, vor der Geburt des Kinds die Lohnsteuerklassen so zu wählen, dass das Paar ein höchstmögliches Elterngeld erhält.
Fazit: Im Beispielfall steigt die Steuerlast durch getrennte Veranlagung erheblich. Weitere stichprobenartige Rechnungen ergaben keine Vorteile, sondern eher Nachteile. Die Nachteile verstärken sich, wenn das Kind nicht gerade im Dezember oder Januar geboren wird. Im Zweifel sollten Eltern einen Steuerberater prüfen lassen, welche Veranlagung in ihrem persönlichen Fall günstiger ist.
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