Aktienverlust: Halten, Aussteigen oder Rückkauf-Trick?
Wer verlustreiche Aktien besitzt, kann mit ihnen Steuern sparen - aber nur, wenn er sich noch 2008 darum kümmert. Denn ab 2009 ändert die Abgeltungsteuer die Rahmenbedingungen. Das Besondere: Kapitalanleger können sogar dann Steuern sparen, wenn sie ihre verlustbehafteten Aktien gar nicht verkaufen, sondern langfristig halten wollen. Alle nachfolgenden Lösungswege gelten nur für Aktien, bei denen die Spekulationsfrist noch läuft.
Erklärungsbeispiel: Kursverlust während der Finanzkrise Herbst 2008
Um die Steuern sparenden Möglichkeiten zu veranschaulichen, nehmen wir an, Sie hätten am 13. Juni 2008 Aktien der HyperMobil AG gekauft: 200 Stück à 40 Euro = 8.000 Euro Investition. Ende September brach der Kurs radikal auf 10 Euro pro Aktie ein. Erst ein milliardenschweres staatliches Rettungspaket stoppte den Abwärtskurs. Ihre Anlage ist jetzt 2.000 Euro Wert, Ihr Verlust beträgt 6.000 Euro.
Nachfolgend werden drei Strategien aufgezeigt, die sich auf einen Kursanstieg und/oder eine Steuerersparnis stützen.
Entscheidung 1: Die Aktien halten (oder sogar hinzukaufen).
Solange sich der Kurs nicht erholt, beträgt Ihr Verlust auf dem Papier 6.000 Euro.
Wirkung: keine, da Sie keinen Einfluss nehmen. Eine Steuerersparnis ist nicht möglich. Ihre Aktien haben zwar an Wert verloren, aber der Verlust ist nur "gedacht". Erst mit einem Verkauf der Aktien würden Sie den Verlust verwirklichen und könnten ihn Steuern sparend nutzen.
Vorteil 1: Verzögerungstaktik. Ob Sie die Aktien heute verkaufen oder zum Beispiel am 10. Juni 2009, spielt in Sachen Spekulationsfrist keine Rolle, denn die läuft mit dem Wechsel vom 12. auf den 13. Juni 2009 ab. Sie können einen etwaigen Spekulationsverlust aus den HyperMobil-Aktien also noch am 12. Juni 2009 verwirklichen und mit Spekulationsgewinnen verrechnen. Diese Aktien fallen auch 2009 unter altes Recht. Mit der Verzögerungstaktik verzichten Sie jedoch auf die Möglichkeit, andere Aktien zu kaufen, die ebenfalls nicht von der Abgeltungsteuer betroffen sind.
Vorteil 2: Gewinn steuerfrei. Sollten Ihre HyperMobil-Aktien wieder enorm an Wert gewinnen und den Einstiegskurs von 40 Euro übertreffen, dann wäre ein Verkaufsgewinn ab dem 13. Juni 2009 steuerfrei. Denn an dem Tag läuft die einjährige Spekulationsfrist ab. Die Abgeltungsteuer wird nicht angewendet, weil Sie die Aktien vor 2009 gekauft haben. Lesen Sie hierzu auch den übernächsten Abschnitt "Entscheidung 3: Aktien verkaufen und rückkaufen", welcher die Entscheidung 1 weiterentwickelt!
Entscheidung 2: Die Aktien verkaufen
Sie verkaufen Ihre verlustbehafteten Aktien komplett und investieren noch im Jahr 2008 in ein anderes Unternehmen. Durch den Ausstieg verwirklichen Sie Ihren Verlust, sodass Sie ihn Steuern sparend mit Spekulationsgewinnen verrechnen können.
Im vergangenen Jahr 2007 hatten Sie mit anderen Aktien einen Spekulationsgewinn von insgesamt 10.000 Euro erwirtschaftet. Die Steuer darauf betrug 2.250 Euro. Die Rechnung: 10.000 Euro Gewinn, zur Hälfte zu versteuern (Halbeinkünfteverfahren), darauf schließlich ein Steuersatz, den wir zwecks Vereinfachung mit rund 45 Prozent ansetzen (Spitzensteuersatz und Solidaritätszuschlag).
10.000 Euro x 0,5 x 0,45 = 2.250 Euro alte Steuer 2007
Wirkung des Aktienverkaufs: Sie ziehen Ihren 6.000-Euro-Verlust direkt vom alten 10.000-Euro-Gewinn ab. Somit bleibt für 2007 ein "neuer" Spekulationsgewinn von 4.000 Euro übrig.
4.000 Euro x 0,5 x 0,45 = 900 Euro neue Steuer 2007
Ihre angepasste 2007er Spekulationssteuer beträgt somit 900 Euro. Da Sie bereits 2.250 Euro Steuern gezahlt haben, erhalten Sie 1.350 Euro vom Finanzamt zurück.
Vorteile: Sie sparen 1.350 Euro Steuern. Durch den Verkauf Ihrer 200 Aktien à 10 Euro verfügen Sie außerdem über 2.000 Euro flüssige Mittel für eine neue, aussichtsreichere Investition.
Wenn Sie die neuen Aktien länger als ein Jahr halten, ist ein etwaiger Gewinn steuerfrei. Wenn Sie die neuen Aktien kürzer als ein Jahr halten, lässt sich ein etwaiger Verlust wieder Steuern mindernd mit Spekulationsgewinnen verrechnen.
Vergleich mit Entscheidung 1: Womit lässt sich mehr Geld retten - durch die Steuerersparnis oder durch einen Aufschwung des Aktienkurses? Sie können die Steuerersparnis von 1.350 Euro sofort in Ihrer Tasche haben. Um so viel Geld mit einem Halten Ihrer 200 Aktien zu erwirtschaften, müsste der Kurs schon von 10 auf 16,75 Euro steigen. Das entspräche einer Rendite von 67,5 Prozent. Zum Vergleich: Eine konservative Anlage bietet eine Rendite von 5 bis 8 Prozent.
Verlustvortrag: Wenn Sie über keine zurückliegenden oder aktuellen Spekulationsgewinne verfügen, dürfen Sie Ihre Verluste in kommende Jahre vortragen und mit zukünftig anfallenden Gewinnen Steuern sparend verrechnen. Dies ist bis 2013 möglich - also auch in der Zeit der Abgeltungsteuer. Nach 2013 verfallen alle steuerlich ungenutzten Spekulationsverluste.
Entscheidung 3: Aktien verkaufen und zurückkaufen (noch in 2008!)
Sie vereinen die Vorteile aus den Entscheidungen 1 und 2. Hintergrund ist, dass Sie nach dem Totalabsturz von HyperMobil mit einem deutlichen Zuwachs rechnen, getreu dem Motto "es kann nur noch besser werden".
Wie in Entscheidung 2 stoßen Sie Ihr Aktienpaket komplett ab. Dadurch verwirklichen Sie Ihren Spekulationsverlust und können ihn Steuern sparend nutzen. Anders als in Entscheidung 2 kaufen Sie jedoch die Aktien desselben Unternehmens zurück.
Ablauf und "Schamfrist": Wichtig ist, dass Sie die Aktien noch in 2008 zurückkaufen, also bevor die Abgeltungssteuer greift! Normalerweise empfehlen wir, zwischen Verkauf und Rückkauf eine gewisse Schamfrist verstreichen zu lassen, damit das Finanzamt die Vorgehensweise nicht anzweifelt mit der Begründung, Sie wollten vorrangig Steuern sparen. Je länger der Abstand zwischen den Transaktionen, desto sicherer - auch wenn in dieser Zeit an der Börse viel geschehen kann. Einige Experten sprechen von einer Frist von 6 Monaten. Das ist in diesem Fall natürlich nicht möglich.
Die Finanzgerichte (FG) Baden-Württemberg und Münster bieten hieraus einen Ausweg: Ihrer Ansicht nach handelt es sich nicht einmal beim Verkauf und Rückkauf der Aktien am selben Tag um einen Gestaltungsmissbrauch (Aktenzeichen: 1 K 51/06 und 10 K 3380/04 E). Das FG Schleswig-Holstein entschied gegensätzlich. Das letzte Wort hat nun der Bundesfinanzhof (BFH, Aktenzeichen: IX R 55/07).
Steuer-Tipp: Lassen Sie bis zum Rückkauf der Aktien so viel Zeit verstreichen, wie wirtschaftlich sinnvoll ist. Verweisen Sie wegen des zeitnahen Rückkaufs vorsorglich auf das laufende BFH-Verfahren. Wenn möglich, untermauern Sie Ihre Entscheidung zum Rückkauf mit handfesten wirtschaftlichen Gründen, die wieder für das Unternehmen sprechen. Besprechen Sie die Alternativen in Ihrem Einzelfall mit einem Steuerberater, vor allem wenn es um größere Beträge geht.
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Wirkung und Vorteile: Wie in Entscheidung 2 vorgerechnet, sparen Sie 1.350 Euro Steuern. Sie bleiben in dem Unternehmen investiert, das Sie langfristig halten wollen und von dessen Turnaround Sie überzeugt sind. Wenn Sie die "neuen alten" Aktien länger als ein Jahr halten, ist ein Gewinn steuerfrei. Denn da Sie die Aktien noch in 2008 zurückgekauft haben, gelten die derzeitigen Steuergesetze.
Risiko: Das Finanzamt behauptet, Sie wollten in erster Linie Steuern sparen statt Kursgewinne erzielen; es unterstellt wegen des zeitnahen Rückkaufs einen Gestaltungsmissbrauch. Der BFH entscheidet zugunsten des Fiskus. In diesem Fall verwandelt sich die Entscheidung 3 nachträglich in die Entscheidung 1. Sie verlieren die Steuerersparnis aus Entscheidung 2.
Fazit und Warnung
Mit dem Verkauf und Rückkauf der Aktien sparen Sie so viel Steuern, dass Sie rund ein Viertel Ihres Aktienverlusts ausgleichen. Falls Finanzamt und BFH Ihre Anlageentscheidung als missbräuchlich einstufen, fällt dieser Steuervorteil weg.
Wichtig: Machen Sie Ihre Anlageentscheidung niemals in erster Linie von einer möglichen Steuerersparnis abhängig! An erster Stelle muss immer stehen, wie sich der Wert der infrage kommenden Anlagen Ihrer Meinung nach entwickelt.
Steuer-Tipp: Lesen Sie, wie die Verlustverrechnung genau funktioniert und ob ein Verlustrücktrag oder Verlustvortrag steuerlich sinnvoller ist.
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