So vermeiden Existenzgründer „Liebhaberei“-Problemfälle

Ein Schelm, der Böses dabei denkt: Unter Liebhaberei versteht der Gesetzgeber eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Vorwiegend Selbstständige, aber auch Vermieter, Freiberufler und Künstler, die über Jahre hinweg nur Verluste machen, bekommen Probleme mit dem Finanzamt. Der Vorwurf: eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht.Die Folge:Teure Steuernachzahlungen, da der Fiskus die steuermindernden Verluste der vergangenen Jahre rückwirkend streicht, was meist zu einer "happigen" Steuernachzahlung führt. Lesen Sie, wie Sie gegenhalten.

von Lutz Schumann, Herausgeber und Chefredakteur

Steuersparmodell für Gründer

Für viele (zusammen veranlagte) Ehepaare ist es das ideale Steuersparmodell: Der eine Ehegatte erzielt hohe Einkünfte, der andere hat sein Hobby zum Beruf gemacht und macht mehr oder weniger hohe Verluste, die er mit den positiven Einkünften seiner „besseren Hälfte“ steuersparend verrechnet.

Möglich macht dies das Einkommensteuergesetz (EStG), nach dem negative (Gewinn-)Einkünfte mit positiven verrechnet und die Steuerlast gemindert werden darf. 

Doch Vorsicht vor dem Damoklesschwert „Liebhaberei“

Der Gesetzgeber war sich den Auswirkungen dieser Vorschrift durchaus bewusst und hat deshalb strenge Kriterien für deren "Nutzung" aufgestellt. Hält eine verlustbringende Tätigkeit über Jahre an, prüft das Finanzamt, ob sie mit der Absicht Einkünfte zu erzielen betrieben wird oder eine privat motivierte „Liebhaberei“ vorliegt.

Ist letzteres der Fall werden die Verluste, die durch die Tätigkeit anfallen, (rückwirkend) nicht mehr anerkannt. Die fatale Folge: Sämtliche (Betriebs-)Ausgaben Ihrer Tätigkeit werden nicht mehr anerkannt. Sie müssen die damit in den Vorjahren gesparten Steuern nebst Zinsen ans Finanzamt zurückzahlen.

Hinter dem Damoklesschwert „Liebhaberei“ steckt die Frage, ob aus einer Tätigkeit ein Gewinn erzielt werden kann oder nicht. Denn: Nur wenn eine Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird, sind die damit zusammen hängenden Ausgaben steuerlich absetzbar.

Denn es gilt die Steuerregel: Ohne Einnahmen sind Ausgaben nicht absetzbar. Von diesem Grundsatz darf nur in Anlaufphasen einer Tätigkeit abgewichen werden. So fallen beispielsweise während der Gründungsphase eines Unternehmens oder in den ersten Jahren nach der Errichtung eines Mietobjekts naturgemäß meist mehr Ausgaben als Einnahmen an. Bei der Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht kommt es daher auf die Gesamtbetrachtung über einen festgelegten Zeitraum hinweg an.

„Persönliche Gründe“ dürfen keine Rolle spielen

Nach der aktuellen Rechtsprechung ist die Gewinnerzielungsabsicht eine innere Tatsache, die - wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgängen - nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden könne. Aus objektiven Umständen müsse auf das Vorliegen oder das Fehlen der Absicht zur Gewinnerzielung geschlossen werden.

Ein für eine Gewinnerzielungsabsicht sprechender Anscheinsbeweis entfällt bereits dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach Totalgewinn, sondern bloß persönliche Beweggründe des Steuerpflichtigen für die Fortführung des verlustbringenden Unternehmens überwiegen könnten. Deshalb muss auch bei den Einkunftsarten  "selbstständige Arbeit" und „Vermietung und Verpachtung“ eine derartige Gewinnerzielungsabsicht bestehen.

Wichtig! Selbst längere Verlustperioden sind möglich

Selbst bei einer längeren Verlustperiode allein darf das Finanzamt nicht die Gewinnerzielungsabsicht verneinen und „Liebhaberei“ unterstellen. Vielmehr müssen noch weitere Beweisanzeichen hinzukommen, z.B.

  • hohe andere Einkünfte oder vorhandenes Vermögen ermöglichen das Tragen der jährlich auflaufenden Verluste (BFH-Urteil vom 14.12.2004, Az.: XI R 6/02),
  • das unveränderte Weiterführen einer verlustbringenden unternehmerischen oder selbstständigen Tätigkeit ohne Umstrukturierungen (BFH-Urteil vom 19.11.1985, Az.: VIII R 4/83),
  • die Ausübung der Tätigkeit als Nebenerwerb (BFH-Urteil vom 19.01.1998, Az.: XI B 23/97),
  • die Fortsetzung der Firma wegen einer langen Familientradition oder die Weiterführung einer verlustbringenden Tätigkeit aus persönlicher Neigung (BFH-Urteil vom 31.3.1992, Az.: IX R 11/87),
  • das Betreiben einer verlustbringenden Steuerkanzlei um dem Sohn/der Tochter nach Abschluss der Ausbildung die Praxisübernahme zu ermöglichen (BFH-Urteil 31.05.2001, Az.: IV R 81/99),
  • hohe Anlaufverluste, die auch bei Fortführung der Tätigkeit unter Einbeziehung von Veräußerungsgewinnen oder aufgrund besonderer Vertragsgestaltung nicht annähernd gedeckt werden können (BFH-Urteil vom 21.03.1985, Az.: IV R 25/82).

Anlaufverluste sind üblich

In den ersten Jahren sind Verluste bei einer neu begonnenen Tätigkeit – insbesondere mit hohem Fremdkapitaleinsatz – durchaus normal. Das weiß auch die Finanzverwaltung. Deshalb sind bloße Anlaufverluste für sich noch nicht schädlich. Erst weitere Beweisanzeichen können auf Liebhaberei hindeuten.

Expertenrat

Wie lange Anlaufverluste toleriert werden, hängt entscheidend von der Branche ab, in der der Steuerpflichtige tätig ist. Das Finanzamt muss grundsätzlich auch außergewöhnliche, vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Ereignisse, berücksichtigen. Die Anlaufphase dauert jedoch im Regelfall mindestens 5 Jahre (BFH-Urteil vom 23.05.2007, Az.: X R 33/04). Bei noch längeren Verlustphasen verlangt das Finanzamt Nachweise für eine dauerhafte Gewinnerzielungsabsicht. 

Auswege bei drohender „Liebhaberei“

Wer mit Gewinneinkünften jahrelang Verluste macht, riskiert, dass ihm nach spätestens 5 Jahren das Finanzamt die „rote Karte“ zeigt. Dies können Betroffene nur verhindern, wenn sie zwischendurch immer mal wieder ein Jahr oder besser sogar 2 Jahre Gewinne ausweisen und diese auch versteuern. Dies unterbricht die Liebhaberei automatisch.

Die Gewinne müssen nicht hoch sein. Aber sie müssen vorhanden sein und in der Steuererklärung geltend gemacht werden. Und wenn es in den Folgejahren wieder schlechter läuft und Verluste in den Büchern stehen, gehört dies zum unternehmerischen Alltag. 

Expertenrat:

Sie können ja durchaus selbst entscheiden, ob Sie Betriebsausgaben/Werbungskosten in Ihrer Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung, kurz EAÜ, geltend machen oder nicht. Eventuell genügt es, um in die Gewinnzone zu kommen oder zumindest eine "Schwarze Null zu schreiben" , wenn Sie auf das Geltendmachen (zumindest teilweise) verzichten.

Bei der Beurteilung, ob „Liebhaberei“ vorliegt, muss das Finanzamt den jeweiligen Einzelfall genau prüfen. Die Urteilssammlung im folgenden Kasten hilft Ihnen bei der Suche nach geeigneten Gegenargumenten.

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Liebhaberei? Rechtsprechungsbeispiele zu den einzelnen Einkunftsarten

Art der Tätigkeit

Erklärung

Urteil

Liebhaberei?

Ja

Nein

1. Land- und Forstwirtschaft

nebenberufliche Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

Nebenberufliche Einkünften aus der Land- und Forstwirtschaft werden bei mehrjährigen Verlusten oft als Liebhaberei eingestuft.

BFH-Urteil vom 30.08.2007, Az.: IV R 12/05

X

 

nebenberufliche Forellenzucht

trotz Zusammenhangs mit der Haupttätigkeit des Betreibers

BFH vom 07.07.1998, Az.: IV B 124/97

X

 

Jagdrevier

Voraussetzung: Das Jagdrevier besteht überwiegend aus land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen dieses Betriebes

BFH vom  13.07.1978, Az.: IV R 35/77

 

X

Weinberg, nebenberufliches Bewirtschaften

wenn die Weinbautradition der Familie fortgeführt wird 

BFH vom 25.11.2004, Az.: IV R 8/03

X

 

2. Gewerbebetrieb

Automatenaufsteller

Aus Verlusten kann nur dann auf fehlende Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt.

BFH vom 19.03.2009, Az.: IV R 40/06

 

X

atypisch stille Gesellschaft zwischen einer überschuldeten GmbH und ihrem Alleingesellschafter wenn der Gesellschafter weder Sanierungsmaßnahmen noch -konzept einleitet

Sächsisches FG vom  04.06.2008, 2 K 482/07, EFG 2010, BFH-Revision unter IV R 40/09

X

 

Dressurstall, nebenberuflich

 

BFH vom 07.09.2006, Az.: IV B 13/05

X

 

Fotovoltaikanlage (private Hausbesitzer)

Ausnahme: Bei Fremdfinanzierung prüft das Finanzamt  im Einzelfall unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsdaten der Anlage, der erhaltenen Fördermittel, der vorgenommenen Investitionen und der Finanzierung (OFD Niedersachsen, Verfügung v. 17.9.2010, S 2240 – 160 - St 221/St 222).

 

 

X

Geschenkeladen

Trotz Totalverlustprognose Verneinung der Einkünfteerzielungsabsicht nur wenn weitere Anhaltspunkte vorliegen

BFH-Urteil vom 24.01.2005, Az.: III B 20/04

 

X

Vermietung (nebenberuflich) eines einzigen Fahrzeugs der Luxusklasse (Porsche 911)

FG Berlin-Brandenburg vom 20.03.2013, Az.: 3 K 3119/08

X

 

Vercharterung eines Motorboots (nebenberuflich)

BFH vom 24.02.1999, Az.: X R 106/95

X

 

Oldtimerhalle

BFH vom 04.02.2013, Az.: III B 49/12

X

 

Modellbaubetrieb

Die Grundsätze für die Annahme einer steuerlichen „Liebhaberei“ sind je nach der Eigenart des Betriebs festzulegen.

BFH-Urteil vom 27.03.2001, Az.: X B 60/00 (NV)

 

X

Pferderennstall

Das Halten von Rennpferden aus Repräsentationsgründen ist Liebhaberei.

BFH vom 02.07.2008, Az.: XI R 66/06

X

 

Schiffsvercharterung

BFH vom 24.09.2009, Az.: IV S 13/09

X

 

Weinhandel

BFH vom 27.5.2009, Az.: X R 62/06

X

 

Tierzucht

BFH vom 16.6.10, X B 214/2009

 

X

Traberhaltung

Erzielt die Haltung eines Trabrennpferds über mehrere Jahre Gewinne, zeigt dies, dass von Anfang an eine Gewinnerzielungsabsicht bestand.

BFH-Urteil vom 16.03.2000, Az.: IV R 53/98 (NV)

 

X

Vercharterung von Segelyachten

Vermietung von Segelyachten ist eine unternehmerische Tätigkeit, wenn die Boote dauerhaft zur Erzielung von Einnahmen eingesetzt werden.

BFH vom 02.07.2008, Az.: XI R 59/06

X

 

3. Selbstständige Tätigkeit

Dozententätigkeit

Auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht kann nicht allein aus einer längeren Verlustperiode geschlossen werden.

BFH-Urteil vom 20.03.2001, Az.: XI S 10/00 (NV)

 

X

Einzelhandel mit Seidenblumen und Gewürzkränzen

Bei einem mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Unternehmen reichen längere Verlustperioden allein nicht aus, um „Liebhaberei“ anzunehmen.

BFH-Urteil vom 02.06.1999, Az.: X R 149/95 (NV)

 

X

Erfinder

Voraussetzung: Absicht zur Erzielung eines Totalgewinns muss bereits zu Beginn der Tätigkeit vorliegen – auch bei „Einproduktbetrieb“.

BFH-Urteil vom 03.06.2005, Az.: XI S 7/04 (NV)

 

X

Künstler, nebenberuflich

Rechtsprechung neigt hier eher zur Liebhaberei, weil der Verdacht besteht, dass die Überschüsse aus der Haupttätigkeit mit den Verlusten aus der künstlerischen Tätigkeit ausgeglichen werden sollen.

BFH vom 07.05.1993, Az.: VI R 39/90

X

 

Künstler, hauptberuflich

Neben den üblichen Anlaufverlusten wird eine längere  Verlustphase anerkannt. Maßgeblich ist aber, ob der Künstler dieser Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich nachgeht.

 

BFH vom 07.05.1993, Az.: VI R 39/90

 

X

Rechtsanwalt

Stagnierende niedrigste Einnahmen, langjährige Verluste und das Bestreiten des Lebensunterhalts aus anderen Quellen sprechen für Liebhaberei.

BFH-Urteil vom 14.12.2004, Az.: XI R 6/02

X

 

Schriftsteller

Der BFH erkennt die Kosten einer nebenberuflichen Schriftstellerin auch nach einer längeren Verlustphase als vorweggenommene Betriebsausgaben an, da sich im Nebenberuf positive Einkünfte oft erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen.

BFH vom 24.8.2012, III B 21/12

 

X

Steuerberater

Aus einer objektiv negativen Gewinnprognose kann nur dann auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden, wenn die Tätigkeit der Befriedigung persönlicher Neigungen und wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre dient.

BFH-Urteil vom 31.05.2001, Az.: IV R 81/99

 

X

4. Vermietung und Verpachtung

Überschusserzielungsabsicht

Generell ist davon auszugehen, dass der Vermieter beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften. Dies wird bei einer langfristig angelegten Vermietung unterstellt, sofern nicht besondere Umstände, wie langer Leerstand, anschließende Selbstnutzung oder Veräußerung oder eine verbilligte Vermietung an Angehörige mit einem Rabatt von mehr als 25 % (seit 2012: 34 %) vorliegen.

BMF-Schreiben vom

8.10.2004, Az.:

IV C 3 - S 2253 - 91/04

 

X

5. Unselbstständige Tätigkeit

Die Einkunftserzielungsabsicht kann auch bei Einkünften aus unselbstständiger Tätigkeit fehlen. Beurteilung im Einzelfall für jedes Arbeitsverhältnis.

BFH vom 28.08.2008, Az.: VI R 50/06

X

 

Erklärung:

NV = nicht veröffentlichtes BFH-Urteil. Diese Urteile dürfen in der Rechtsprechung  nicht angewendet werden. Weitere Infos dazu:https://www.steuer-schutzbrief.de/einspruch-gegen-steuerbescheid/ratgeber/nicht-veroeffentlichte-urteile-nv-urteile.html