Die neue OFD-Prüfungsliste: Wo Finanzbeamte jetzt genauer hinschauen
Von Chefredakteur und Herausgeber Lutz Schumann
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat die Jagdsaison auf die Steuergelder eröffnet. Angesichts der desolaten Haushaltslage sollen die Finanzbeamten mehr Geld in die Kassen bringen. Der Steuer-Schutzbriefs verrät, wer und was dabei besonders genau geprüft wird. Da die Finanzbeamten nicht die Zeit haben, alle Steuererklärungen penibel unter die Lupe zu nehmen, haben die Finanzämter Prüfungsschwerpunkte gebildet. Steuerzahler, die dort hineinfallen, müssen mit pingeligen Beamten rechnen.
Großverdiener besonders im Fokus
Der Fiskus hat ein Problem: 40.000 Beamte müssen jährlich rund 28 Millionen Steuererklärungen prüfen. Im Schnitt bleibt ihnen dazu gerade mal eine dreiviertel Stunde pro Erklärung. Das geht zu Lasten der Kontrollen - die wenigsten Steuererklärungen werden intensiv geprüft. Doch angesichts der desolaten Haushaltslage hat das Bundesfinanzministerium seine untergebenen Finanzämter auf ein neues Prüfungsschema vergattert.
Faustregel: Nur da, wo es sich lohnt, gucken die Finanzbeamten genauer hin. Als Messlatte dient das Einkommen. Je mehr ein Steuerzahler verdient, umso größer die Gefahr. 70 Prozent der Unterlagen von Topverdienern mit einem Jahreseinkommen über 200.000 Euro landen im Intensivverfahren. Wer zur Prüfung auserkoren wird, entscheidet zumeist der Computer im Rechenzentrum nach dem Zufallsprinzip. Dann wertet ein Sachbearbeiter die Daten aus, anschließend macht sich auch sein Vorgesetzter, der Sachgebietsleiter, an die Arbeit. Alle Rechnungen und Belege werden geprüft und mit den Angaben der Vorjahre verglichen. Übrigens: Wer unter 75.000 Euro im Jahr verdient, entgeht hingegen der strengen Musterung mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent.
Zudem gibt es seit einigen Jahren Prüfungsschwerpunkte, die Oberfinanzdirektionen der Bundesländer jedes Jahr veröffentlichen und bei denen die Beamten akribisch alle Angaben des Steuerzahlers checken.
Die OFD Nordrhein-Westfalen hat ihre Liste mit den wichtigsten Prüffeldern für 2021 Anfnag des Jahres veröffentlicht. Allerdings wurde der Download inzwischen entfernt. Beim Steuer-Schutzbrief finden Sie die Informationenweiterhin.
1. Spekulationsgewinne/verluste
In den meisten Finanzämtern achten die Sachbearbeiter 2003 verstärkt auf die Angaben in der Anlage SO der Steuererklärung, also auf Spekulationsgewinne oder -verluste. Wer erstmals Verluste geltend macht, muß mit pingeligen Nachfragen rechnen, wenn er in den Vorjahren keine Spekulationsgewinne angegeben hatte.
Außerdem sind die Finanzbeamten angehalten, Konten und Depots der Steuerpflichtigen mit vorliegendem Kontrollmaterial des Bundesamts für Finanzen (BfF), dem deutschen Steuer-FBI, abzugleichen. Dabei setzen die Beamten neueste Technik ein: Sie verbinden sich online in dem BfF-Rechner und können per Knopfdruck feststellen, welche Konten, Zinsen, Dividenden und Freistellungsaufträge die Banken gemeldet haben.
2. Vermietung und Verpachtung
Die Finanzbeamten müssen prüfen, wie die Mieteinnahmen zusammengesetzt sind. Die Höhe der Nettokaltmiete und der jeweiligen Betriebskosten, die im Formular getrennt voneinander angegeben werden müssen, nehmen die Beamten unter die Lupe und checken anhand dieser Informationen die Angaben zur Wohnfläche. Außerdem prüfen die Sachbearbeiter, ob es sich um möblierte Wohnungen handeln kann oder um gewerbliche Mietflächen. Anhaltspunkt ist jeweils die ortsübliche Miete. Nebeneffekt: Verbilligte Wohnraum-Überlassungen an Verwandte fallen sofort auf.
Der Grund: Den vollen Werbungskostenabzug gab es bislang nur, wenn die Miete mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete beträgt. ACHTUNG! Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde ab 2021 die 66 %-Grenze durch die 50 %-Grenze der ortsüblichen Miete ersetzt.
Die Beamten suchen jetzt nach Vermietern, die ihre Verwandten noch zur alten Mietgrenze wohnen lassen.
3. Firmenwagen
Ein weiterer Prüfungsschwerpunkt sind die vielen Firmenwagenfahrer. Die „Zentralen Fahndungs-Nachrichten“, kurz ZFN, der vertrauliche, amtsinterne Infodienst für Betriebsprüfer und Steuerfahnder, in dem die neuesten Tricks der Steuerhinterzieher veröffentlicht werden, berichten von einem schwunghaften Handel “gebrauchter“ Tankquittungen. Kein Wunder, schließlich landen die meisten Quittungen an den Tankstellen im Papierkorb. Für Stammkunden hebt der Tankwart schon mal die eine oder andere auf, achtet dabei auch noch auf die “richtige“ Spritsorte und überlässt diese dann seinem Spezi gegen ein etwas üppigeres Trinkgeld.
Die Beamten kontrollieren jetzt verstärkt die Fahrtenbücher der Firmenwagenfahrer und checken dabei gezielt: Stimmen die Kilometerangaben von Fahrtenbuch und Werkstattrechnung oder TÜV-Bericht überein? Wurde das Auto laut Fahrtenbuch gefahren, obwohl der Fahrer Urlaub hatte oder auf einer längeren Dienstreise im Ausland unterwegs war? Existieren Quittungen von Tankstellen, die gar nicht auf der im Fahrtenbuch ausgewiesenen Route liegen? Fehlen Angaben zu den aufgesuchten Geschäftspartnern?
Ferner sollen die Prüfer öfter zum Taschenrechner greifen und die laut Fahrtenbuch zurückgelegten Kilometer mit den getankten Spritmengen gegenrechnen. Laut ZFN sind bei solchen Checks schon wahre Spritfresser mit 50 oder 60 Litern Benzinverbrauch pro 100 Kilometer aufgetaucht. Dem Unternehmer kommen die formalen Fallen teuer zu stehen: Denn der Fiskus erkennt das Fahrtenbuch nicht an und der Firmenwagenfahrer muß die Privatnutzung nach der teuren Ein-Prozent-Methode versteuern. Die Folge: Je nach Fahrzeug und Privatanteil an den Autokosten sind Nachzahlungen von 2.000 Euro bis 10.000 Euro keine Seltenheit. Außerdem droht ihm ein Verfahren wegen Steuerverkürzung wenn nicht sogar wegen Steuerhinterziehung.
Selbst den Firmenwagenfahrern, die ihre Privatnutzung mit der simplen, aber teuren Ein-Prozent-Methode berechnen, will die Finanzverwaltung ab sofort stärker auf die Finger schauen. Denn bei diesen Pauschal-Abrechnern ist das Sammeln fremder Tankquittungen besonders beliebt. Zumal hier der Gegencheck den Beamten schwerer fällt, da genaue Kilometeraufzeichnungen fehlen. Beamte können lediglich mittels Kilometerangaben auf Werkstattrechnungen, TÜV-Reports und Unfallberichten die Jahresfahrleistung ermitteln und anhand der summierten Tankquittungen den ungefähren Durchschnittsverbrauch berechnen.
4. Aktionäre und GmbH-Gesellschafter
Ein neues, lohnendes Prüfungsfeld sind Aktionäre kleinerer, nicht börsennotierter Aktiengesellschaften und GmbH-Gesellschafter, die über größere Beteiligungen verfügten und ihre Anteile verkauft haben. Hintergrund: Nur die wenigsten geben Gewinne aus Beteiligungsverkäufen beim Finanzamt an. In Nordrhein-Westfalen waren erste Testermittlungen ausgesprochen einträglich. Die Fahnder wollen Aktionären auf die Schliche kommen, die an den Gesellschaften wesentlich beteiligt waren und in den vergangenen Jahren mit Anteilsverkäufen erhebliche Gewinne gemacht haben.
Hintergrund: Gewinne aus Anteilsverkäufen an Aktiengesellschaften oder GmbHs sind stets steuerpflichtig, wenn der Verkäufer innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Verkauf “wesentlich“ an der Gesellschaft beteiligt war. Die Zahl dieser Anteilseigner und damit der potenziellen Steuersünder ist in den letzten Jahren stetig gestiegen, denn der Gesetzgeber hat die Schwelle für wesentliche Beteiligungen immer weiter gesenkt. Lag eine solche wesentliche Beteiligung früher erst ab einem Anteilsbesitz von 25 Prozent vor, wurde der Grenzwert 1999 erst auf 10 Prozent gedrückt, 2001 sogar auf 1 Prozent.
Besonders im Visier haben die Kölner und Düsseldorfer Steuerfahnder zurzeit die nicht börsennotierten kleineren Aktiengesellschaften. Denn während Notare Anteilsübertragungen bei GmbHs dem Finanzamt melden müssen, gibt es eine entsprechende gesetzliche Pflicht für AGs nicht.
5. Internetaktivitäten
Bundesfinanzminister Scholz will zudem Steuerschlupflöcher im Internet schließen. Eine zentrale Fahndungsstelle soll Online-Geschäfte genauer prüfen. Zuständig für die Beobachtung elektronisch angebotener Waren und Dienstleistungen ist ab sofort das Bundesamt für Finanzen (BfF).
Stichproben in Nordrhein-Westfalen ergaben, dass die Hälfte der im World Wide Web gesichteten Firmen steuerlich nicht gemeldet sind. Hintergrund der verstärkten Prüfungsaktivitäten ist die fehlende Transparenz von Internet-Geschäften, bei denen Waren wie Musik, Videos oder Software ausschließlich online verkauft und geliefert werden.
Die Finanzverwaltung arbeitet derzeit an einem digitalen System, wie man Steuerbetrug bei Online-Geschäften leichter aufdecken kann. Wie ich aus zuverlässigen Kreisen erfahren habe, sollen künftig über eine spezielle Suchmaschine zunächst alle Online-Anbieter in Deutschland herausgefiltert werden. Anhand der in Arbeit befindlichen Datenbank „Umsatzsteuerkontrolle“ gleicht das Bundesamt für Finanzen dann in einem zweiten Schritt digital ab, ob diese Anbieter beim Finanzamt auch als Firma gemeldet sind und Umsatzsteuer abführen.
Neben den Firmen im Internet sind es besonders die Auktionshäuser wie zum Beispiel ebay und ricardo sowie deren Kunden, die sich künftig auf intensive Kontrollen des Fiskus einstellen müssen.
Internet-Auktionshäuser erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit. In Online-Auktionen werden Waren aller Art angeboten, von Designer-Mode, hochwertigen HiFi-Geräten über Sammlerstücke und exklusiven Schmuck bis zu Dingen des täglichen Bedarfs. Häufig finden sich Kunden, die in kurzer Zeit Hunderte von Verkäufen tätigen und ihr Hobby zu einer lukrativen Einnahmequelle gemacht haben - steuerfrei versteht sich. Doch hier droht eine Gefahr: Wer Verkäufe in großem Stil durchführt, gilt in den Augen des Fiskus als Gewerbetreibender. Die unangenehme Folge: Die Gewinne sind steuerpflichtig.
Auskunftsersuchen an die Deutschlandfilialen der bekannten Internetauktionshäuser und die daraus resultierenden Kontrollmitteilungen an die Finanzämter der Betroffenen bringt diese spätestens nach Abgabe der Steuererklärung in arge Bedrängnis - wenn sie die erzielten Gewinne in ihrer Steuererklärung „vergessen“ haben.
6. Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht
Im Jahr 2021 legt die Finanzverwaltung in NRW wie schon im Jahr 2021 besonderes Augenmerk auf die Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht (Liebhaberei) bei § 15 und § 18 EStG.
Neben diesen zentralen, für alle Finanzämter in NRW geltenden Prüffeldern, wurden folgende dezentrale Schwerpunkte (geordnet nach Steuerarten bzw. Vorschriften oder Themen) für die einzelnen Finanzämter festgelegt:
7. Prüfungen bei der Einkommensteuer
- Sonderausgaben (§ 10 EStG): u. a. Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen, Kirchensteuer auf Abgeltungssteuer, Förderung für Baudenkmale nach § 10f EStG.
- Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG): u. a. Erbauseinandersetzung.
- Verluste bei beschränkter Haftung (§ 15a EStG)
- Gewinneinkünfte (§§ 15/18 EStG): u. a. Photovoltaikanlagen (Verlustfälle und Großanlagen), Teileinkünfteverfahren, Verschmelzung von juristischen Personen.
- Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG, Schwerpunkt vieler Finanzämter!): u. a. entgeltliche und unentgeltliche Übertragung von Anteilen, Einkünfte aus Auflösung oder Kapitalherabsetzung einer Kapitalgesellschaft.
- Arbeitnehmer (19 EStG): u. a. Werbungskosten, doppelte Haushaltsführung, private PKW-Nutzung, Auswärtstätigkeit.
- Kapitalvermögen(§ 20 EStG): u. a. Anlage KAP-INV, steuerschädliche Verwendung einer Lebensversicherung (§ 29 EStDV).
- Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG): u. a. verbilligte Überlassung von Wohnungen, Sonder-AfA Mietwohnungsneubau (§ 7b EStG), erhöhte Absetzung nach §§ 7h, 7i EStG im Erstjahr, Vermietung und Verpachtung im Erstjahr (Schwerpunkt vieler Finanzämter!), hohe Erhaltungsaufwendungen.
- Außergewöhnliche Belastungen (§§ 33, 33a EStG): u. a. erstmalige Unterstützungsleistung.
8. Prüfungen bei der Körperschaftsteuer
- Beteiligung an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen (§ 8b KStG)
- Verlustabzug bei Körperschaften (§ 8c KStG)
9. Prüfungen bei der Umsatzsteuer: Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 15a UStG)
Bei den o. g. Prüffeldern handelt es sich um die Schwerpunkte. Die Prüfer dürfen also (und werden i. d. R. auch) andere Sachverhalte aufgreifen!
Steuerpflichtige, die von einem Prüffeld betroffen sind, werden von der OFD NRW gebeten, zur beiderseitigen Arbeitserleichterung die notwendigen Unterlagen und Angaben direkt mit Abgabe der Steuererklärung einzureichen.
Die Aufstellung gilt zwar nur für Bereich der OFD Nordrhein-Westfalen. Doch die Erfahrung vergangener Jahre hat gezeigt, dass die NRW-Liste von den Betriebsprüfern anderer Bundesländer dankend aufgegriffen wird.