Renten-Doppelbesteuerung: Rentner müssen nicht zweimal zahlen, aber Nachweise aufheben
Von Andreas Islinger, Steuerberater und Rentenberater bei Ecovis in München
2005 gab es die große Rentenform. Diese führt möglicherweise dazu, dass Rentnerinnen und Rentner doppelt Steuern zahlen müssen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt geprüft, ob das Rentengesetz gegen die Verfassung verstößt. Heute, am 31. Mai 2021, hat er sein Urteil veröffentlicht. Er hat bestätigt: Eine Doppelbesteuerung darf es nicht geben. Und das oberste deutsche Finanzgericht legt die Berechnungsgrundlage für die Rentenbesteuerung fest. Ecovis-Rentenberater Andreas Islinger weiß, was zu tun ist.
Was versteht man unter Doppelbesteuerung?
Bezogen auf die Rente bedeutet Doppelbesteuerung, dass eine Person zweimal Steuern zahlt. Einmal auf die Rentenversicherungsbeiträge, so lange die Person noch arbeitet. Das zweite Mal auf die ausgezahlte Rente. Eine Doppelbesteuerung liegt nicht vor, wenn der steuerfreie Teil der Rente größer ist als die ursprünglich gezahlten und nicht abzugsfähigen Rentenbeiträge während des Erwerbslebens.
Worum genau geht es in den Fällen, über die der BFH entscheiden musste?
In den beiden Fällen geht es um die Details, wie genau sich eine Doppelbesteuerung berechnen lässt. Strittig waren zum Beispiel die Fragen: Wann kann das Finanzamt eine Öffnungsklausel anwenden und ob sich Grundfreibeträge beim steuerpflichtigen Anteil der Rente anrechnen lassen oder nicht.
Die Rentenreform von 2005 – vielleicht der Grund für die Doppelbesteuerung?
Der Grund für die Rentenreform 2005 war ein Bundesverfassungsgerichtsurteil. Es hatte die vorgelagerte Rentenbesteuerung als verfassungswidrig erklärt. Die Besteuerung war damals vorgelagert, also zahlten Arbeitnehmer ihre Beiträge zur Rentenversicherung aus bereits versteuertem Einkommen, also aus dem Nettoeinkommen. Daher war später das Gros der Rente steuerfrei.
Mit der Rentenreform 2005 wurde die Rentenbesteuerung schrittweise umgestellt auf nachgelagerte Besteuerung. Das heißt: Nach und nach steigt der Teil der Rente, der zu versteuern ist. 2040 sind es schließlich 100 Prozent. Als Ausgleich können Steuerpflichtige seit 2005 höhere Beiträge für die Rentenversicherung als Sonderausgaben steuerlich geltend machen.
Was genau hat jetzt der BFH entschieden?
Der BFH hält daran fest, dass der Systemwechsel durch die Rentenreform 2005 verfassungskonform ist. Im konkreten Einzelfall darf es aber nicht zu einer doppelten Besteuerung von Rentenbeiträgen und Renten kommen.
Berechnungsgrundlage: So hat der BFH entschieden:
• Eine Geldentwertung ist nicht zu berücksichtigen. Es bleibt beim Nominalwertprinzip. Wertsteigerungen der Renten lassen sich also besteuern.
• Zum steuerfreien Rentenbezug sind nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers zu rechnen, sondern auch die eines möglicherweise länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente.
• Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als „steuerfreien Rentenbezug“ in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben laut BFH unberücksichtigt. Damit bleibt insbesondere auch der Grundfreibetrag bei der Berechnung des „steuerfreien Rentenbezugs“ außen vor.
• Für die Ermittlung des aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Teils der Rentenversicherungsbeiträge hat der X. Senat ebenfalls konkrete Berechnungsparameter formuliert.
Unterlagen wie Steuerbescheide und Versicherungsverlauf unbedingt aufbewahren!
„Das Urteil birgt wirklich Sprengstoff: Wenn Rentnerinnen und Rentner die Doppelbesteuerung nachweisen sollen, dann müssen sie auch alle Unterlagen bereithalten. Damit gilt weiterhin: Versicherungsverlauf und Steuerbescheide unbedingt aufbewahren“, rät Andreas Islinger, Steuerberater und Rentenberater bei Ecovis in München.