Gemeinnützige Organisationen im Visier des Fiskus

Bei Steuerverstößen drohen Vereinen und Stiftungen Sanktionen bis hin zum Verlust der Gemeinnützigkeit. Zu Vorsicht mahnt auch ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofes. Wie sich steuerliche Fallstricke mit gezielten Compliance-Maßnahmen frühzeitig erkennen und umgehen lassen.


von Prof. Dr. Peter Fischer 1), BKL Fischer Kühne + Partner

Prof. Dr. Peter Fischer 1), BKL Fischer Kühne + Partner

Viele Bürger engagieren sich ehrenamtlich in Vereinen oder Stiftungen. Sie stoßen mit Gleichgesinnten Herzensprojekte an und wirken in Schlüsselpositionen mit. Durch die Corona-Krise rücken für Vereinsmanager betriebswirtschaftliche Anforderungen in den Fokus. Viele Organisationen befinden sich in einer wirtschaftlichen Schieflage und kämpfen um ihre Existenz.

Eine auf die Erfüllung der ideellen Satzungszwecke ausgerichtete Mittelverwendung ist das Gebot der Stunde. Dafür sprechen neben wirtschaftlichen Zwängen auch steuerrechtliche Gründe. Schon immer wird die Einhaltung des Gemeinnützigkeitsrechts von den Finanzbehörden streng überwacht; Verstöße werden sanktioniert.

Erhöhter Handlungsbedarf besteht durch ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH, Az. VR 5/17). Die obersten Finanzrichter werten unverhältnismäßig hohe Tätigkeitsvergütungen an Geschäftsführer gemeinnütziger Rechtsträger als Mittelfehlverwendung. Ob Vergütungen angemessen sind, ist mittels Fremdvergleich zu klären. Dazu können Gehaltsstudien für Wirtschaftsunternehmen herangezogen werden. Wird die marktübliche Gehaltsobergrenze um mehr als 20 Prozent überschritten, liegt ein unangemessen hohes Geschäftsführergehalt vor.

Die Höhe der Bezüge von Geschäftsführern gemeinnütziger Vereine sorgte immer wieder infolge skandalöser Einzelfälle für mediale Aufmerksamkeit. Der politische Handlungsdruck hat sich seit zwei Jahrzehnten erhöht. Die gewerbliche Wirtschaft und der gemeinnützige Sektor haben die Transparenz ihrer Vergütungssysteme proklamiert. Dies scheint noch nicht überall zu wirken. Der BFH hat nunmehr mit dem Hinweis auf den Fremdvergleich einen rechtlichen Markstein gesetzt. Auch an Geschäftsführer von gemeinnützigen Organisationen muss eine „übliche“ Vergütung gezahlt werden. Dies bedeutet: Zu deren Bemessung muss auf das Vergleichsumfeld abgestellt werden. Damit sind die Branchen-, Größen- und Landesüblichkeit gemeint. Es kann aber auch das Lohn- und Gehaltsgefüge im Unternehmen herangezogen werden.

Das neue BFH-Urteil hat weitreichende Konsequenzen für gemeinnützige Organisationen. Die aufgestellten Grundsätze sind auf andere Vertragsbeziehungen übertragbar und gelten beispielsweise auch für Miet-, Pacht- oder Darlehensverträge.

Gemeinnützigkeit in Gefahr

Schwere Verstöße können den Entzug der Gemeinnützigkeit zur Folge haben. Gemeinnützige Organisationen profitieren von vielfältigen Vergünstigungen, für die Körperschaft sowie ihre ehrenamtlichen Kräfte. Sie sind vor allem, aber nicht ausschließlich steuerlicher Natur. Nur gemeinnützige Vereine dürfen Spendenbescheinigungen ausstellen, die Spender zum Sonderausgabenabzug berechtigen. Nicht zuletzt ist die Gemeinnützigkeit ein zivilgesellschaftliches Gütesiegel mit großer Strahlkraft.

Der Einsatz der ideell gebundenen Mittel der Körperschaft ausschließlich für gemeinnützige Zwecke wird durch den Grundsatz der Selbstlosigkeit gewährleistet. Organisationen dürfen keine Person mit Ausgaben begünstigen, die nicht dem Satzungszweck dienen. Überhöhte Gehälter, verdeckte Zahlungen, überteuerte Dienstwagen oder auch Lustreisen stellen gravierende Verstöße dar, die nicht immer auf Anhieb als solche erkannt werden. Ein besonderes Augenmerk erfordern zudem die Herkunft von Spendeneinnahmen und die korrekte Deklaration von Sponsoringgeldern.

Gerade in Krisenzeiten, wenn die Vereinsorgane vielfach aus der Not heraus nach zusätzlichen Erlösquellen suchen, lauern Gefahren. Die einschlägigen steuerlichen Vorschriften haben eine enorme Tragweite. Da Vereinsorgane meist als Ehrenamtler tätig werden, sollten sie ihre Arbeit rechtlich absichern. Wer steuerrechtliche Berater hinzuzieht, geht auf Nummer sicher und bleibt immer auf dem neusten Stand. Mit Hilfe der Berater lassen sich passende Compliance-Maßnahmen entwickeln, um Steuerverfehlungen von vorneherein zu vermeiden.

Zurzeit durchlaufen viele Organisationen einen Veränderungsprozess, um ihre Ertragssituation neu auszurichten. Dies ist ein guter Zeitpunkt, um professionelle Compliance-Maßnahmen zu prüfen und zu etablieren. Die Kosten liegen oftmals deutlich unter den erzielbaren Einsparpotenzialen und Effizienzgewinnen.

Keine Kollision mit dem Finanzamt

Zwar beschränkt der Gesetzgeber die Haftung ehrenamtlicher Vereinsorgane auf Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, doch wiegen Verstöße gegen steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Vorgaben besonders schwer. Schnell wird die Grenze zur groben Fahrlässigkeit überschritten. Schließlich sind die Vereinsorgane nicht nur für das eigene Handeln, sondern auch für die Gesetzestreue sämtlicher Mitarbeiter verantwortlich.

Die Vereinsorgane müssen Aufsichtsmaßnahmen ergreifen, um die Arbeit ihrer Mitarbeiter zu kontrollieren. Nach der BFH-Rechtsprechung können steuerlichen Pflichten der Vereinsorgane nicht delegiert werden. Eine Delegation von Aufgaben auf nachgeordnete Mitarbeiter ist nur möglich, wenn der Vorstand alle Arbeiten gründlich überwacht. Werden vorsätzlich oder fahrlässig Aufsichtsmaßnahmen verletzt, drohen weitreichende Konsequenzen, die auch zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen können.

Die Finanzbehörden haben die Kontrolle von gemeinnützigen Organisationen in den letzten Jahren zunehmend verschärft. Nicht jeder Gesetzesverstoß hat den Entzug der Gemeinnützigkeit zur Folge. Doch wenn Auffälligkeiten zu Tage treten, intensivieren die Finanzbehörden gerne ihre Prüfungen und schauen noch genauer hin, ob alle steuerrechtlichen Anforderungen erfüllt werden. Vielfach kommt es zu langwierigen Auseinandersetzungen mit den Finanzbehörden, die zumindest einen hohen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand für die Organisationen nach sich ziehen.

Bei schwerwiegenden Verstößen und im Wiederholungsfall droht der Verlust der Gemeinnützigkeit. Mit dem Wegfall der Gemeinnützigkeit werden alle Begünstigungen gestrichen, womöglich sogar rückwirkend vom Tag des Gesetzesverstoßes an. Die Folge: Es werden auf einen Schlag hohe Nachzahlungen fällig, die den Fortbestand der Organisation gefährden. Die Vereinsführung sollte deshalb frühzeitig interne Kontrollmechanismen prüfen und bei Bedarf etablieren. So lassen sich Steuerverfehlungen und ihre Folgen vielfach von vorneherein vermeiden.

Compliance im Blick

Ausgangspunkt für die Wahrung des geltenden Rechts sind die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK). Das Regelwerk gilt zwar streng genommen nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen, doch empfiehlt dessen Präambel auch anderen Unternehmen in Deutschland seine Beachtung ausdrücklich. Was in der Wirtschaft längst eine Selbstverständlichkeit ist, wird auch im Dritten Sektor immer wichtiger. In vielen Organisationen stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit eines Compliance Management Systems (CMS), das als Tax Compliance Management System (Tax CMS) auch steuerliche Fragen umfasst.

Grundsätzlich gehören zu einem Tax CMS auch die systematische Organisation aller sensiblen Arbeitsabläufe, einschließlich Funktionstrennung und Vier-Augen-Prinzip. Sinnvoll ist oft ein ergänzender Notfallplan, um im Ernstfall schnell gegenzusteuern und den Schaden zu begrenzen.

Eine angemessene Compliance ist darauf ausgerichtet, das gesetzeskonforme Verhalten des gesamten Vereins zu gewährleisten, und zwar präventiv und repressiv. Pflichtverstöße sollen nach Möglichkeit von vorneherein vermieden werden.

Je größer und komplexer die Organisationen sind, desto dringlicher ist es, die Einhaltung aller gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben professionell zu organisieren. Die Anforderung an ein geeignetes Tax CMS sind sehr unterschiedlich. Der Aufwand, um vor allem den steuerlichen Status der Gemeinnützigkeit zu schützen, sollte grundsätzlich verhältnismäßig und wirtschaftlich vertretbar sein. Bei einer komplexen Risikostruktur ist ein Tax CMS dringend ratsam. Besonders tückisch sind Schnittstellen unter Fachbereichen, die steuerliche Belange im Zusammenspiel erfüllen. Ein professionelles Tax CMS stellt sicher, dass alle Aufgaben und Verantwortlichkeiten eindeutig und überschneidungsfrei geregelt sind, und zwar fachlich und organisatorisch.

Verbandsaktionengesetz in Planung

Eine gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung und Unterhaltung einer Compliance-Organisation gibt es nicht. Der Vereinsvorstand und letztlich die Mitgliederversammlung entscheiden darüber nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Verein sollte sich mit dieser Thematik auseinandersetzen und dazu sachkundigen Rat einholen.

Zusätzlicher Handlungsbedarf besteht durch das von der Regierung geplante Verbandssanktionengesetz, das wahrscheinlich bis Herbst 2021 verabschiedet wird. Es zielt darauf ab, Verstöße effizienter zu ahnden und Compliance-Maßnahmen zu fördern. Der Gesetzentwurf nimmt neben Unternehmen bislang nur wirtschaftliche Vereine ins Visier, was allerdings fragwürdig erscheint. Auch ideelle Vereine können mit einem steuerlich begünstigten Zweckbetrieb erhebliche unternehmerische Dimensionen haben, die ein Compliance Management dringlich machen. 

Grundsätzlich führt an Compliance auch in wirtschaftlichen Betrieben im Dritten Sektor kein Weg vorbei. Die Vorstände von wirtschaftlich tätigen Vereinen oder großen Verbänden treffen weitgehend die gleichen Pflichten wie die Vorstände einer Aktiengesellschaft oder die Geschäftsführer einer GmbH. Willkommener Nebeneffekt: Nach geltendem Recht kann die Einführung eines internen Kontrollsystems bußgeldmindernd wirken. Mit systematischen Compliance-Maßnahmen zeigen die Organe ein Problembewusstsein und dokumentieren, dass eben nicht vorsätzlich oder leichtfertig gehandelt wird.

Die Vereinsführung sollte mithilfe von erfahrenen steuerrechtlichen Beratern ein tragfähiges Risikokonzept umsetzen (siehe Infokasten „Compliance nach Maß“).

1) Prof. Dr. Peter Fischer,  ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, ist seit 2014 als Of Counsel für die Kanzlei BKL Fischer Kühne + Partner tätig. Seine Spezialkenntnisse liegen im Steuerrecht, im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht und im Steuerstrafrecht. Er ist Mitautor und Mitherausgeber mehrerer Standardwerke zum Steuerrecht. Seine Expertise gibt er auch als Referent und Dozent weiter.

Compliance nach Maß

1. Risiken analysieren: Das Vereinsleben birgt zum Teil weitreichende steuerliche, sozialversicherungsrechtliche und auch zivilrechtliche Risiken. Viele Gefahrenquellen lauern im Verborgenen und sind den Leitungsorganen kaum bewusst. Klarheit bringt eine systematische Analyse der Risikostruktur unter Hinzuziehung von fachkundigen Beratern.

2. Rollen klären: In vielen Vereinen verschwimmen die Kompetenzen der zumeist ehrenamtlichen Vorstände und hauptamtlichen Geschäftsführer. Oft sind Aufsicht und Führung nicht getrennt und das Präsidium stimmt über die eigene Tätigkeit mit ab. Klare Rollen und Kompetenzen sind unerlässlich, um Verbände effizient und störungsfrei zu führen.

3. Maßnahmen ergreifen: Schematische Lösungen sind fehl am Platz. Die erforderlichen Maßnahmen hängen von der Risikostruktur ab. Für die genaue Ausgestaltung sind etwa der Satzungszweck sowie die Zahl der Mitglieder und Mitarbeiter maßgeblich. Alle eingeführten Compliance-Maßnahmen sollten regelmäßig kontrolliert und weiter optimiert werden.

(Quelle: BKL Fischer Kühne + Partner, www.bkl-law.de)