Ungerecht, aber glücklich!
liebe Leserin, lieber Leser,
rund acht Zehntel der Bundesbürger halten das deutsche Steuersystem für ungerecht, ergab eine Umfrage im März 2008 des Instituts für Demoskopie Allensbach. Ein Zehntel der 1.800 Befragten findet das System gerecht. Ebenfalls rund acht Zehntel glauben, Steuerhinterziehung sei in Deutschland weit verbreitet.
Wenn der überwiegende Teil der Bevölkerung das deutsche Steuersystem für ungerecht hält und wenn sich sogar viele Steuerberater für einfachere Regeln aussprechen - warum diskutieren die Politiker dann nur während ihrer Wahlkämpfe ausgiebig darüber? Warum sind die "Bierdeckelsteuer" von Friedrich Merz und die "Flat Tax" des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof seit der Wahl 2005 in der Versenkung verschwunden, egal was man inhaltlich von ihren Modellen halten mag? Warum verfolgen die Verantwortlichen keinen dieser Gedanken weiter oder entwickeln neue?
Ganz "einfach": Weil eine hochkomplexe Volkswirtschaft ein kompliziertes Steuersystem braucht, das nicht gänzlich auf staatliche Lenkungsinstrumente verzichtet. So zumindest lautet das Gegenargument, das mir am häufigsten vorgesetzt wird.
Zwischen solchen Zeilen höre ich zwei Grundhaltungen heraus, die man den Deutschen seit jeher nachsagt: Untertanendenken und Spitzfindigkeit. Demnach wollten die Deutschen gelenkt werden, egal in welche Richtung und egal von wem oder warum. Und wem die Richtung und die tausend Regeln bis ins kleinste Detail nicht gefallen, der kann dem Volkssport nachgehen, nach cleveren Schlupflöchern zu suchen. So ist jeder glücklich und zufrieden, und wenn nicht, dann kann er immer noch über das System im Ganzen schimpfen.
Ich für meinen Teil bin weder glücklich noch zufrieden mit unserem komplizierten Steuersystem und werde gewiss nicht aufhören, darüber zu schimpfen. Und das, obwohl ich ihm meinen Beruf und den Steuer-Schutzbrief verdanke und mir mit der spitzfindigen Suche nach Schlupflöchern meinen Lebensunterhalt verdiene.
An meinen Ergebnissen lasse ich Sie gerne teilhaben, versprochen! Herzlichst, Ihr
Lutz Schumann
Herausgeber und Chefredakteur
P. S.: Das Bundesfinanzministerium hatte kürzlich wenigstens ein kleines Einsehen mit den gebeutelten Steuerzahlern - erzwungenermaßen angesichts der Rechtsprechung: Private Steuerberatungskosten lassen sich vorläufig als Sonderausgaben absetzen. Vielleicht ist den Ministerialen ja klargeworden, dass das Steuersystem zu kompliziert ist. Jedenfalls so kompliziert, dass der Bundesfinanzhof oder das Verfassungsgericht die Dienste eines Steuerberaters und die damit verbundenen Kosten als zwangsläufig erachten könnten.