Knast statt Knöllchen - auch bei der Steuerschuld?
Liebe Leserin, lieber Leser,
"Ersatzfreiheitsstrafen: Wegen fünf Euro hinter Gittern" ist der Titel eines Artikels, mit dem Spiegel Online mal wieder meine Aufmerksamkeit weckte. Darin geht es um einen Rentner aus Nordrhein-Westfalen, der lieber ins Gefängnis wandert, als seine Knöllchen fürs Falschparken zu bezahlen. Seine Gründe sind stichhaltig: kein Geld, modernes Gefängnis, interessante Menschen zum Kennenlernen sowie zum Frühstück eine Auswahl aus 7 Brotsorten.
Der Knast scheint in Deutschland seinen Schrecken verloren zu haben. Zumindest bei der sogenannten "Ersatzfreiheitsstrafe" (EFS). Statt Geld zu bezahlen, buchen wir einen kostenlosen Erlebnisurlaub. Einschließlich Transfer zum Hotel im Polizeiauto. Diese Pauschalreise ist so attraktiv, dass man sich nicht mal eine Feile zum Ausbrechen in die reichhaltige Brotauswahl schmuggeln lassen möchte.
Bei der ganzen Geschichte erinnere ich mich unweigerlich an eine Frage, die ein Leser vor einigen Jahren stellte: "Darf ich auch ins Gefängnis gehen, statt meine Steuerschuld zu zahlen?"
Der Gedanke ist wohl für viele Menschen verführerisch, in seiner Logik aber verquert: Sie haben ihre fällige Steuer im Voraus verprasst, also auf Staatskosten gelebt. Um diese Missetat abzugelten, bieten sie an, auf Staatskosten zu leben.
Natürlich macht der Staat solche Tricksereien nicht mit. Er fragt nicht, ob wir gern Steuern oder Gefängnis hätten, sondern ob es gleich beides sein darf. Vereinfacht gesagt, gibt es zum einen die Beugehaft, um uns druckvoll zum Zahlen zu bewegen, und zum anderen die Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung. Letztere kann auch dann greifen, wenn wir unser eingenommenes Geld leichtfertig ausgegeben haben, ohne an Vater Staats gerechten Anteil zu denken. In jedem Fall bleibt die Zahlungspflicht bestehen, eine Ersatzfreiheitsstrafe gibt es hier nicht.
Die harte Gangart ist auch überaus nötig, denn das Finanzamt treibt die Kohle ein, mit der der Knöllchen-Knast finanziert wird. Über 100 Euro pro Tag kostet die Vollpension für den 5-Euro-Falschparker. Das ist ein schieferes Missverhältnis als zwischen Beitragszahlern und Anspruchsberechtigten der Rentenkasse.
Wer seine Steuerschulden wirklich nicht bezahlen kann, sollte rechtzeitig vor Ende der Zahlungsfrist einen Kredit beantragen oder sich über eine Privatinsolvenz informieren. Zwar gilt das Finanzamt als gefährlichster Gläubiger. Doch wenn man sich rechtzeitig und gewissenhaft drum kümmert, lässt es mit sich verhandeln, siehe dazu auch meinen Kommentar "Finanzamt zwischen Russenmafia und Schmusekurs".
Übrigens: Wer den EFS-Urlaub buchen will, sollte sich beeilen. Laut obigem Artikel haben die Politiker das Problem erkannt und wollen es lösen.
Herzlichst, Ihr
Carsten Wegner
Herausgeber