Finanzminister verhindert Bürokratieabbau

vom 11. Dezember 2007 (aktualisiert am 17. September 2017)
Von: Lutz Schumann

Liebe Leserin, lieber Leser,

die ausufernde Bürokratie in Deutschland verursacht nach einer aktuellen Angabe des Statistischen Bundesamts mehr als 27 Milliarden Euro Kosten pro Jahr. Dies geht aus dem 2007er Zwischenbericht "Bürokratiekosten: Erkennen - Messen - Abbauen" hervor, das die Bundesregierung in Auftrag gegeben hatte. Die deutsche Wirtschaft muss 10.900 Informationspflichten erfüllen, die aus bundes- und EU-rechtlichen Regelungen entstehen. Davon wurden bislang die 2.100 aufwändigsten gemessen und sind in den Zwischenbericht eingeflossen. Die Gesamtlast aus den gesamten 10.900 Informationspflichten wurde in verschiedenen Medienberichten auf 40 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Angesichts solch immenser Dimensionen reden Politiker gerne von Vereinfachung und Bürokratieabbau. Immerhin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den Bürokratieabbau schon 2005 im Koalitionsvertrag festgehalten: 25 Prozent, also 10 Milliarden Euro, will sie den Unternehmen und Bürgern ersparen.

Doch den Worten sind bislang kaum Taten gefolgt. Ganz im Gegenteil: Tatsächlich schaffen die EU und der deutsche Gesetzgeber eine Fülle neuer, unnötiger und teilweise unsinniger bürokratischer Hindernisse. Diese behindern Unternehmer und Privatpersonen tagtäglich. Die Zahl der beeinträchtigenden Gesetze ist schier unüberschaubar. Nachfolgend eine Auswahl der größten Kostenverursacher:

  • die 10-jährige Aufbewahrungspflicht für Rechnungen: 6,2 Milliarden Euro
  • Steuererklärungen mit Erstellungs- und Folgekosten: 3,5 Milliarden Euro
  • die 10.900 Informationspflichten nach Bundes- und EU-Recht: mindestens 27 bis schätzungsweise 40 Milliarden Euro
  • und ganz aktuell die Senkung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) von 410 Euro auf 150 Euro: Je nach Schätzung schlägt sie sich mit einem zwei- bis dreistelligen Milliardenbetrag an Kosten nieder.

Bei kleineren und mittleren Unternehmen beansprucht die Bürokratie etwa vier bis sechs Prozent des Gesamtumsatzes. Vier bis sechs Prozent – viele Branchen können von Gewinnsätzen in dieser Höhe bloß träumen!

Dennoch wird die Flut neuer Gesetze größer. Die Vorschriften und Gesetze mit Rechtsfolgen für die Wirtschaft erreichen inzwischen den Rekordstand von 11.000 Verordnungen.

Da durchzublicken fällt selbst Beamten schwer: Bei der Suche nach überflüssigen Vorschriften entdeckten die Bürokraten jüngst allein 100 Gesetze, deren Existenz selbst Fachbeamten unbekannt war. Fatal für Bürger und Unternehmer: Unkenntnis schützt nicht vor Strafe. Wer die ihn betreffenden Gesetze und Vorschriften nicht kennt, wird von der Justiz dennoch gnadenlos bestraft.

Der in Wahlkampfzeiten vollmundig verkündete Bürokratieabbau ist heute Nebensache, wie Bundesfinanzminister Peer Steinbrück jüngst sehr anschaulich belegte: Nachdem der Normenkontrollrat ihm vorgeworfen hatte, die Steuerreform beschere Unternehmen neue Auflagen, sagte Steinbrück kühl, dies sei im Interesse des Fiskus halt notwendig.

Angesichts eines derartigen Irrsinns wirken die folgenden Worte kaum noch bissig, die dem österreichischen Kabarettisten Karl Farkas (1893-1971) zugeschrieben werden: "Zum Abbau der Bürokratie fehlen uns einfach die nötigen Beamten."

Ich wünsche Ihnen einen gelungenen Wochenstart. Herzlichst, Ihr

Unterschrift Lutz Schumann

Lutz Schumann
Chefredakteur