Eine Nummer von der Geburt bis zur Bahre
Liebe Leserin, lieber Leser,
nun wird es langsam ernst: Jeder Bundesbürger erhält zum 1. Juli 2007 ein einheitliches Identifikationsmerkmal, die neue, lebenslang gültige Identifikationsnummer. Diese soll die bisherige Steuernummer ersetzen. Der Traum der Politiker vom gläsernen Bürger wird damit Wirklichkeit.
Mindestens seit 1999 spinnt der Staat ein immer engeres Netz zur Überwachung des Bürgers: Arbeits- und Sozialämter können seitdem über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beim deutschen "Steuer-FBI", dem Bundeszentralamt für Steuern (früher: Bundesamt für Finanzen), nach Freistellungsaufträgen der Betroffenen suchen.
Im Jahr 2002 wurde bei der BaFin die Kontenevidenzzentrale (KEZ) eingerichtet, die jederzeit Zugriff auf die Stammdaten von Bankdaten hat – ohne Mitwirken oder Wissen des Kunden oder des Kreditinstituts. Ende 2003 wurde mit dem Gesetz zur Steuerehrlichkeit die automatisierte Abfrage von Kontoinformationen durch alle Behörden zugelassen.
Dieser staatliche Rundumschlag führt zum gläsernen Bürger, für den es de facto keinen Datenschutz und kein Bankgeheimnis mehr gibt.
Mit der neuen Identifikationsnummer kann in naher Zukunft jede finanzielle Transaktion eines Bürgers (außer Bargeld) mit seiner einmaligen Identifikationsnummer verknüpft werden. Es entsteht somit ein nahezu lückenloses Profil über seine Aktivitäten.
Theoretisch lassen sich aus den Kontenumsätzen selbst Einkäufe sowie Hotel- und Restaurantbesuche nachvollziehen. Ganz nebenbei entstehen so lückenlose Bewegungsprofile der Bürger. Das bundesweite Identifikationsmerkmal erfüllt somit die Funktion einer Personenkennzahl (PKZ), wie man sie bereits in der DDR hatte.
Die realen Auswirkungen einer solchen Identifikationsnummer kann man sehr gut in Brasilien beobachten: Dort teilt ebenfalls das Finanzministerium jedem Bürger eine eindeutige lebenslang gültige Steuernummer, CPF genannt, zu. Ohne CPF kann man dort legal kein Konto eröffnen und noch nicht einmal einen Festnetztelefonanschluss beantragen.
Ich muss schon sagen: Angesichts solch Orwell'scher Zustände läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich wünsche Ihnen dennoch ein schönes Wochenende und einen angenehmen Wochenstart, Ihr
Lutz Schumann
Chefredakteur