Die Wahrheit über Politiker-Dienstwagen im Urlaub

vom 20. August 2009 (aktualisiert am 17. Januar 2018)
Von: Carsten Wegner

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Nachrichten der vergangenen Wochen über die private Dienstwagennutzung von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt zeigen, dass auch Mitglieder unserer Regierung Nachhilfebedarf in Sachen Steuern haben. Zwar sagte die Ministerin, sie habe dienstliche und private Fahrten strikt getrennt und letztere auch privat abgerechnet - alles im Rahmen der Vorschriften. Auch der Bundesrechnungshof kam nach einer Prüfung zum Schluss: "Es ist kein Schaden für die Bundesrepublik Deutschland entstanden". Schmidt erklärte daraufhin: "Ich habe für alle nachvollziehbar darlegt, dass der sparsame Umgang mit Steuergeldern für mich eine Selbstverständlichkeit ist."

Doch dieses "private Abrechnen" ist nur die eine Hälfte der Wirklichkeit. Tatsächlich hat sich die Bundesministerin ein Zusatzgehalt von mehreren tausend Euro gegönnt, egal ob ihr das bewusst war oder nicht. Die immer wieder beschworene Korrektheit bedeutet lediglich, dass Schmidt dieses zusätzliche Gehalt ordentlich versteuert hat. Es heißt nicht, dass sie sämtliche privat veranlassten Kosten selbst bezahlt hat. Bezahlt hat der Steuerzahler, und zwar letztlich mehr als 3.000 Euro, wie ich weiter unten nachrechne.

Ulla Schmidt muss sich deshalb nicht bloß fragen lassen, ob sie die Vorschriften eingehalten hat. Sie muss sich fragen lassen, ob es trotz aller Vorschriften nicht ein wenig verschwenderisch war, 5.000 private Kilometer mit dem Dienstwagen zurückzulegen und die Kosten dafür mit dem Steuerzahler zu teilen. "Augenmaß" und "Vermittelbarkeit" sind die Begriffe, über die sie nachdenken sollte, vor allem während einer so oft beschworenen Wirtschaftskrise.

Verschwendung? Zusatzgehalt? Ein Unterschied zwischen Steuern und tatsächlich entstandenen Kosten? Entschuldigung, vielleicht war ich mit meiner Kritik zu hastig. Gehen wir ein paar Schritte zurück, schauen wir uns die Sachlage, Vorschriften und den Steuerkram genauer an. Das geht schnell, versprochen:

Kurzer Hintergrund zur Privatnutzung von Dienstwagen

Wer seinen Dienstwagen auch privat fährt, verursacht Kosten, die irgendjemand zahlen muss. Diese "Kosten" beinhalten zum Beispiel Verschleiß (Abschreibung), anteilige Kfz-Steuer und Versicherung, also nicht bloß das Benzin. Der zahlende "jemand" ist entweder der Arbeitgeber (häufig) oder der Mitarbeiter selbst (manchmal) oder beide zu bestimmten Teilen (durchaus üblich). Wann immer der Arbeitgeber auch nur einen Euro der privat veranlassten Kosten übernimmt, entsteht dem Mitarbeiter ein finanzieller Vorteil, den er mit seinem persönlichen Steuersatz versteuern muss. Der Fachbegriff dafür ist "geldwerter Vorteil".

Dem Finanzamt ist es unterm Strich egal, ob der Mitarbeiter 1.000 Euro mehr Gehalt bekommt oder ob der Arbeitgeber 1.000 Euro private Fahrtkosten bezahlt. Hauptsache, das Finanzamt erhält seine 20, 30 oder 40 Prozent Steuern darauf, also 200, 300 oder 400 Euro, je nach Steuersatz.

400 Euro Steuern gegenüber 1.000 Euro Fahrtkosten? Spätestens hier sollte klar sein, dass die fällige Steuer immer nur einen Teil der insgesamt entstandenen Kosten ausmacht. In der privaten Wirtschaft kann einem Arbeitgeber dieser Unterschied egal sein: Wenn er großzügig ist, zahlt er halt die vollen Fahrtkosten seines Angestellten. Ein motivierter Mitarbeiter ist ein guter Mitarbeiter.

Doch wie verhält sich das in Politik und Verwaltung? Hier ist der Steuerzahler der Arbeitgeber. Allerdings entscheiden die Politiker selbst über die Höhe ihrer Zuwendungen. Wie großzügig muss der Arbeitgeber da noch sein? Also zusätzlich zum ohnehin üppigen Gehalt der Minister und Bundestagsabgeordneten und zusätzlich zu ihrer 46-fachen Werbungskostenpauschale? Zumal der Steuerzahler als "Arbeitgeber" nicht selbst über die Ausgaben entscheidet?

Möchten Sie, lieber Steuerzahler, wissen, wie viel Geld es Sie kostet, wenn Ministerin Ulla Schmidt mit ihrem Dienstwagen in den Spanienurlaub düst?

Beispielrechnung: Ulla Schmidts Dienstwagenkosten im Urlaub 2009

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt verfügt über einen "Mercedes-Benz S 420 CDI" als Dienstwagen, Grundpreis: 89.607 Euro. Die folgende Tabelle zeigt links die monatlichen Fahrtkosten laut ADAC Autokosten 2008 bei einer jährlichen Fahrleistung von 15.000 Kilometern. In der rechten Spalte gehen wir davon aus, dass die Ministerin drei Mal so viele Kilometer pro Jahr zurücklegt, also 45.000 Kilometer. Dadurch sinken die Kilometerkosten etwas.

Kosten Monatsbetrag bei 15.000 Gesamtkilometern pro Jahr Monatsbetrag bei 45.000 Gesamtkilometern pro Jahr
Fixkosten 215 Euro 215 Euro
Werkstattkosten 113 Euro 339 Euro
Betriebskosten 174 Euro 522 Euro
Wertverlust 1.015 Euro 3.045 Euro
Gesamtkosten pro Monat 1.517 Euro 4.121 Euro
Kosten pro Kilometer 121,4 Cent 110 Cent

Die Stecke von Berlin nach Alicante/Spanien beläuft sich auf rund 2.400 Kilometer, hin und zurück also 4.800 Kilometer. Wir vernachlässigen die Fahrten am Urlaubsort weitestgehend und rechnen der Einfachheit halber mit 5.000 Urlaubskilometern.

5.000 Kilometer x 1,10 Euro/Kilometer = 5.500 Euro tatsächliche Kosten, die bei Gesundheitsministerin Ulla Schmidts privatem Abstecher mindestens angefallen sind.

In diesem Betrag sind keine Kosten für den Fahrer enthalten. Ebenfalls unberücksichtigt geblieben sind etwaige Fahrzeug-Sonderausstattungen wie Telefon, teure Musikanlage, Panzerung. Solche Sonderausstattung würde natürlich den Gesamtpreis und damit auch den Wertverlust erhöhen.

Ich erlaube mir, für die Bundesministerin einen Steuersatz von 42 Prozent anzunehmen. Das mache ich ganz in ihrem Interesse, denn je niedriger ihr Steuersatz tatsächlich ist, desto mehr ändert sich das Endergebnis zu Lasten des Steuerzahlers. Ach ja, ich erlaube mir außerdem, grob zu vereinfachen und den Steuerbetrag von den tatsächlichen Kosten abzuziehen, schließlich handelt es sich auf der anderen Seite der Gleichung beide Male um die Staatskasse. Am Ende steht dort:

Kosten/Steuer Betrag
Tatsächlich entstandene Kosten 5.500 Euro
Steuer darauf (42 Prozent Steuersatz, ohne Solidaritätszuschlag) 2.310 Euro
Privatvorteil auf Staatskosten 3.190 Euro

Ergebnis: Sie, lieber Steuerzahler, haben den Spanien-Urlaub der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt mit mindestens 3.190 Euro finanziert. Wohlgemerkt bezieht sich diese Rechnung nur auf das eine Jahr 2009.

Alles im Rahmen der Vorschrift - ja und!?

Die "Richtlinien für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen in der Bundesverwaltung (DKfzR)" sind recht einfach: Die Minister dürfen ihre Dienstwagen auch privat nutzen. Sie brauchen dafür kein Entgelt zu entrichten, auch nicht für Fahrten im Ausland. Ulla Schmidt hat sich also korrekt innerhalb der Vorschrift verhalten, zumindest 2009.

Doch Vorschriften und Grenzen bedeuten nicht, dass man sie ausreizen muss. Triebe man die Denkweise "Ich habe das Recht, weiter gucke ich nicht" auf die Spitze, dann könnten die obersten Staatsbeamten mit ihrem Dienstwagen nach Peking düsen und zurück, so oft und so lange der Urlaub reicht. "Wieso? Ich versteuere doch alles korrekt?", höre ich sie schon sagen, weil sie wieder einmal "vergessen", dass dem Steuerzahler deutlich höhere Kosten durch ihr Privatvergnügen entstehen.

Kritik und Forderungen

Ich ziehe zwei Kritikpunkte und Forderungen aus dem Schmidtschen Dienstwagendebakel:

1. Lieber Staat, hier stimmt was nicht. Du als Arbeitgeber darfst nicht so freigiebig sein, wenn es um die private Nutzung der Firmenwagen geht. Fordere doch bitte einen angemessen finanziellen Ersatz, vor allem bei privaten Fahrten ins und im Ausland. Am besten so, wie du es bereits von deinen anderen - niedrigergestellten - Mitarbeitern verlangst (§ 23 DKfzR) und wie es auch bei vielen Unternehmen in der privaten Wirtschaft üblich ist.

2. Liebe Frau Schmidt, ein wenig Augenmaß tut gut, gerade in einer Zeit, in der sich viele Menschen um ihre Arbeitsplätze sorgen und nicht mal ihren eigenen Urlaub finanzieren können. Dass Sie angesichts Ihrer jüngsten Erfahrungen jetzt selbst für eine schärfere Vorschrift eintreten, ist löblich. Doch es ist nicht die Schuld einer Vorschrift, wenn Sie diese weitestmöglich ausschöpfen.

Fazit: Auch wenn Politiker sich anders einschätzen mögen, so ist der "sparsame Umgang mit Steuergeldern" nicht zwingend "eine Selbstverständlichkeit" für sie.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leser, einen rundum schönen (Rest-)Sommer, egal ob Sie arbeiten oder im Urlaub sind, egal ob mit oder ohne Dienstwagen! Herzlichst, Ihr

Carsten Wegner
Herausgeber

P. S. Diese Ausgabe des Steuer-Schutzbrief-Newsletters steht ebenfalls überwiegend im Zeichen von Sommer und Urlaub: