Die neue Reichensteuer sorgt für weniger Gerechtigkeit

vom 18. November 2005 (aktualisiert am 17. September 2017)
Von: Lutz Schumann

Liebe Leserin, lieber Leser,

ab 2006 soll es nach dem Willen der Großen Koalition in Deutschland eine Reichensteuer geben, die nach Berechnungen der SPD-Linken rund 1,2 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen soll. Ich halte diesen Betrag nicht nur für unrealistisch, sondern auch absolut blauäugig.

Eine Sondersteuer für Besserverdienende – der Vorschlag scheint in Zeiten, in denen Durchschnitts- und Geringverdiener stärker zur Kasse gebeten werden, schon gerecht. Doch diese "Neidsteuer" der künftigen Bundesregierung wird ein Flop – davon bin ich fest überzeugt.

Der Grund: Die betroffenen Steuerzahler mit einem Einkommen von mindestens 250.000 Euro pro Jahr (Verheiratete: über 500.000 Euro) haben genügend Möglichkeiten, der Steuer zu entgehen. Die einfachste: Sie sagen Deutschland ein für allemal Lebewohl. Der Gestaltungsfreiheit in Vermögensangelegenheiten sind nun mal keine Ländergrenzen gesetzt. Schon heute nutzen Wohlhabende diese Möglichkeit zuhauf. Seminare über die (steuerlichen) Probleme einer Wohnsitzverlagerung sind seit Monaten gut besucht. Die Schweiz, Spanien, Italien, aber auch die USA, Kanada und Australien gehören zu den Traumzielen der steuermüden Bundesbürger.

Doch es gibt noch weitere Möglichkeiten, der neuen Reichensteuer zu entkommen: Beispielsweise, bei der Geldanlage in Aktien verstärkt auf dividendenstarke Titel zu setzen. Die Einkünfte aus Dividenden sind zwar steuerpflichtig – aber lediglich nach dem vergleichsweise schonenden Halbeinkünfteverfahren. So lange allerdings nicht abschließend festgelegt ist, ob – neben anderen Details – die Reichensteuerpflichtigen über ihr zu versteuerndes oder über das Bruttoeinkommen bestimmt werden, kann man noch keine allgemein verbindliche Empfehlung geben.

Auch verfassungsrechtlich steckt wahrscheinlich erheblicher Sprengstoff in dem Vorhaben. Immerhin erschließt es sich nicht, warum zum Beispiel Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit nicht der Reichensteuer unterliegen – solche aus selbstständiger Tätigkeit dagegen schon. Architekten, Ärzte und nicht zuletzt Steuerberater werden grundlos benachteiligt.

Das alles spricht nicht gerade dafür, dass die neue Alibi-Steuer – wie von der SPD gewünscht – mehr Gerechtigkeit schafft; ganz im Gegenteil. Sie bestraft mal wieder den Erfolgreichen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine erfolgreiche neue Woche, Ihr

Lutz Schumann

Lutz Schumann
Chefredakteur