Crowdfunding, Crowdtaxing
Liebe Leserin, lieber Leser,
Kapitalanleger haben es derzeit schwer. Seit rund fünf Jahren sind die Zinsen auf Sparbüchern und Tagesgeldkonten niedrig wie nie zuvor. Der Leitzins, zu dem sich Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld leihen können, liegt auf einem Rekordtief von 0,05 Prozent (Stand: September 2014). Angesichts der ungelösten Schuldenkrise und der schwachen Konjunktur in der Eurozone bleibt er sehr wahrscheinlich auf diesem Niveau. Viele Ökonomen sagen voraus, dass die Zinsen auch 2015 so niedrig bleiben.
Wenn man die Inflation berücksichtigt, verlieren häufig sogar Sparer Geld. 2013 betrug die Inflationsrate durchschnittlich 1,5 Prozent gegenüber 2 Prozent im Vorjahr (Quelle: Statistisches Bundesamt). Sparbriefe bringen derzeit bei einer Laufzeit von 1 bis 10 Jahren zwischen 0,3 und 1,5 Prozent Zinsen pro Jahr. Festgeldkonten werfen bei einer Anlagedauer von 1 Jahr bis zu 1,5 Prozent ab, bei 10 Jahren bis zu 2,5 Prozent. Tagesgeldkonten finden kaum noch statt: Anleger müssen sich mit höchstens 1 Prozent pro Jahr begnügen. Nur Neukunden bekommen bei manchen Anbietern je nach Anlagedauer 0,4 Prozentpunkte mehr, also bis zu 1,4 Prozent Zinsen pro Jahr.
Hohe Zinsen beim Crowdfunding
Der Aktienmarkt ist für viele Anleger zu riskant und rechercheintensiv, Immobilien binden ihnen einen zu hohen Betrag. Doch keine Anlage ist auch keine Lösung, denn dann frisst die Inflation das Kapital vollständig auf.
Eine Alternative ist für Kapitalanleger das Crowdfunding geworden, eine vergleichsweise neue und immer beliebter werdende Form der Kreditvergabe. Abhängig vom Risiko, sind hier Renditen von 2,3 bis 7,3 Prozent pro Jahr möglich (Quelle: Auxmoney). Beim Crowdfunding finanzieren viele Kapitalanleger den Kreditwunsch eines einzelnen. Zum Beispiel für Geschäftsideen, Produkte oder private Anschaffungen.
Suchende und Geldgeber finden über Internet-Marktplätze zueinander. Dort präsentieren Firmen, Gründer und Privatleute ihre Ideen in Form einer Ausschreibung und geben an, wie viel Kapital sie mindestens benötigen. Anleger entscheiden dann selbst, wie viel Geld sie für dieses Projekt zur Verfügung stellen. Im Gegenzug erhalten die Investoren entweder einen festen Zinssatz, eine Beteiligung am erzielten Gewinn oder einen Anteil an dem Start-up-Unternehmen.
Dieses Verfahren ist für beide Seiten lukrativ: Der Kapitalanleger erhält Zinsen, deren Höhe vom Risiko des Projekts abhängen. Der Kapitalnehmer zahlt für Crowdfunding erheblich weniger als für einen "normalen" Bankkredit. Ganz abgesehen davon, dass Kreditinstitute viele Projekte gar nicht finanzieren.
Das Finanzamt will seinen Anteil
Viele Crowdfunding-Anleger vergessen jedoch, dass sie ihre Kapitalerträge versteuern müssen - egal, ob es sich um Zinsen oder Gewinnanteile handelt. Wer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, unterliegt mit seinem Welteinkommen der deutschen Einkommensteuer.
Ob dies in Form der 25-prozentigen Abschlagsteuer oder dem persönlichen Steuersatz passiert, lässt sich nicht pauschal beantworten. Zu komplex und individuell sind die beim Crowdfunding abgeschlossenen Verträge. Das kann nur ein Steuerberater nach einem Blick ins Vertragswerk entscheiden.
Daher mein Steuer-Tipp: Denken Sie an das Finanzamt! Klären Sie möglichst schon vor Ihrem Investment die steuerliche Seite mit einem Experten. In vielen Fällen ist es ratsam, Ihre Investitionsentscheidung und/oder den Crowdfunding-Vertrag auf Ihre persönlichen steuerlichen Bedürfnisse auszurichten.
Beispiel: Eine stille Beteiligung an einem aussichtsreichen Start-up-Unternehmen kann für gutverdienende Investoren sinnvoller sein als ein Vertrag mit einem festen Zinssatz. Denn so profitieren Sie in den Anfangsjahren sogar von den Verlusten des Start-ups, indem Sie sie mit Gewinnen verrechnen und somit Steuern sparen.
Ich wünsche Ihnen ein glückliches Händchen bei Ihrem Investment, herzlichst Ihr
Lutz Schumann
Herausgeber und Chefredakteur