300 Euro "Grundeinkommen light" für Verzicht auf Steuererklärung
Was für eine Idee! Nach der erfolgreichen Abwrack-Prämie soll nun die Steuer-Prämie kommen. So steht es jedenfalls im Wahlprogramm der SPD. Dieser Bonus würde so funktionieren: Ein Steuerzahler schreibt sein Finanzamt an - Postkarte soll genügen - und verzichtet darauf, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Als kleines Dankeschön für die Arbeit, die er dem Fiskus dadurch erspart, überweist ihm der Staat 300 Euro, Verheirateten 600 Euro. Ziele dieser Prämie seien eine Entbürokratisierung des Steuerwesens und Hilfe insbesondere für Klein- und Durchschnittsverdiener.
Natürlich darf niemand diesen Bonus beanspruchen, der Steuern an den Staat nachzahlen muss. Die Befürworter der Idee wollen ja kein Steuersparloch sondergleichen erschaffen. Deshalb die Einschränkung: Den Bonus soll es nur für Steuerzahler geben, die neben ihrem Lohn keine weiteren Einkünfte haben.
Dies wiederum bedeutet aber, dass die neue Steuer-Prämie nur zwei Gruppen zugute käme:
1. allen Arbeitnehmern, die bislang keine Steuererklärung abgegeben haben und keine Steuererstattung erwarten,
2. allen Beschäftigten, die mit einer Steuererstattung rechnen.
Wahlkampfgeschenk ohne Zusatznutzen
Bei der ersten Gruppe hätte das Finanzamt keinerlei Vorteil. Diese Steuerzahler verursachen keine Arbeit und brauchen nicht mit Geld dazu überredet zu werden, keine Steuererklärung abzugeben. Darauf verzichten sie bereits äußerst freiwillig. Der Steuerbonus ist hier nichts weiter als ein teures und stumpfsinniges Wahlkampfgeschenk.
"Teuer", weil laut Bundesfinanzministerium (BMF) rund 2 Millionen Steuerzahler keine Steuererklärung abgeben. Multipliziert mit 300 Euro, ergibt dies die stolze Summe von 600 Millionen Euro. So viel Geld will erst einmal aufgetrieben - Verzeihung: erschuldet - werden.
"Stumpfsinnig, weil jeglicher Gegenwert oder Nutzwirkung fehlt. Überspitzt und mit bösem Willen ausgedrückt, ist dieses "Grundeinkommen light" nicht weit von einer gekauften Stimme entfernt.
Auf undurchsichtiger Grundlage entscheiden
Die zweite Gruppe von Steuerzahlern muss genau rechnen: Auf eine Steuererklärung zu verzichten, lohnt sich nur, wenn die Erstattung unter 300 Euro liegt. Wen betrifft das? Und vor allen Dingen: Wer kann sich sicher sein, dass es ihn betrifft?
Recht einfach ist die Antwort auf diese Fragen für alle diejenigen Berufspendler, die allein durch ihre Fahrtkosten genügend Werbungskosten zusammenbekommen, um eine Steuererstattung von mindestens 300 Euro zu erreichen. Das trifft bei den beiden folgenden Beispielen zu:
Beispiel 1: Arbeitnehmer mit einem Steuersatz von 45 Prozent. Die Wohnung liegt mehr als 23 Kilometer von der Arbeitsstätte entfernt. Dank der ungekürzten Pendlerpauschale betragen die Werbungskosten mindestens 1.587 Euro (23 Entfernungskilometer x 230 Arbeitstage x 0,30 Euro pro Kilometer). Nach Abzug von 920 Euro Arbeitnehmerpauschbetrag, der bereits in die Lohnsteuertabellen eingearbeitet ist, verbleiben 667 Euro Werbungskosten. Wegen des Steuersatzes von 45 Prozent liegt die Steuerersparnis bei 300,15 Euro.
Beispiel 2: Bei einem persönlichen Steuersatz von 30 Prozent sind 28 Entfernungskilometer nötig, um die Steuerersparnis von 300 Euro zu erreichen. (mehr Hintergründe, Musterschreiben und Werbungskostenliste zur Pendlerpauschale.)
In beiden Fällen handelt es sich um Mindestwerte. Höhere Entfernungskilometer oder weitere Werbungskosten außer den Fahrtkosten erhöhen die Steuererstattung. Viele Arbeitnehmer jedoch verfügen nicht über dieses sicheren Informationen. Sie wissen nicht, wie viel Steuern das Finanzamt ihnen zurückerstatten wird. Dafür ist die Materie zu schwierig und änderungsreich, der Spielraum der Sachbearbeiter zu groß, eine verbindliche Auskunft des Finanzamts zu teuer. Die Kosten für einen Steuerberater fressen den 300-Euro-Bonus bereits auf. Bleibt allenfalls ein Lohnsteuerhilfeverein für zum Beispiel rund 50 bis 100 Euro im Jahr.
SPD will "Geh aufs Ganze" spielen lassen
Unterm Strich gerät die Abgabe einer Steuererklärung zum Glücksspiel für den Steuerzahler, vergleichbar mit der Fernseh-Spielsendung "Geh aufs Ganze". Verbirgt sich hinter "Tor 1" die 800-Euro-Reise oder der 0-Euro-Zonk? Soll der Kandidat lieber die sicheren 300 Euro nehmen? Mit Transparenz hat das nicht viel zu tun.
Vielleicht ist ja genau das der Finanzierungsplan: Wer auf eine unsichere Erstattung von 800 Euro verzichtet, ermöglicht dadurch die 300-Euro-Geschenke für die Steuerzahler aus Gruppe 1. Eine eigentümliche Art von Umverteilung.
Es würde mich nicht überraschen, wenn das Gegenstück zu diesem Wahlkampfgeschenk schon in den Schubladen liegt und unabhängig vom Ausgang nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 hervorgezaubert wird: 50 Euro Grundgebühr, die der Fiskus für das Bearbeiten einer Steuererklärung erhebt.
Ich wünsche Ihnen ein sonniges und erholsames verlängertes Mai-Wochenende.
Herzlichst, Ihr
Lutz Schumann
Herausgeber und Chefredakteur