Wertpapiere: Verkauf und Rückkauf am selben Tag ist kein Gestaltungsmissbrauch
Wichtige Aktualisierung vom 15. Februar 2010:
Der Bundesfinanzhof hat die hier beschriebene Ansicht verschiedener Finanzgerichte bestätigt: Kapitalanleger können Aktien verkaufen und noch am selben Tag zu einem unterschiedlichen Preis zurückkaufen, ohne dass das Finanzamt einen Gestaltungsmissbrauch unterstellen darf (Aktenzeichen: IX R 60/07 und IX R 55/07). Dieser Rückkauf-Trick ist auch in Zeiten der Abgeltungsteuer wichtig, damit Kapitalanleger weiterhin Gewinne und Verluste verrechnen, gleichzeitig aber langfristig investiert bleiben können.
Hier der ursprüngliche und weiterhin aktuelle Artikel zum schnellen Rückkauf von Wertpapieren:
Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg dürfen Kapitalanleger innerhalb der 12-monatigen Spekulationsfrist ihre verlustreichen Aktien verkaufen, am selben Tag zurückkaufen und den dabei eingefahrenen Verlust mit ihren Gewinnen verrechnen (Urteil vom 01. August 2007, Aktenzeichen: 1 K 51/06). Hierbei handele es sich ausdrücklich nicht um einen Gestaltungsmissbrauch, welchen die Finanzämter gerne gegenhalten.
Die Finanzrichter begründeten ihr Urteil damit, dass das Einfahren von Verlusten eine notwendige Folge eines an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Steuersystems sei und deshalb kein rechtfertigungsbedürftiges Privileg darstelle. Auch die speziellen Regelungen zum Verlustausgleich in § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) lieferten danach keine Anhaltspunkte, die einen Wiederankauf von Wertpapieren nach dem Realisieren von Spekulationsverlusten als Steuerumgehung erscheinen ließen.
Der Fall: Zwei Anleger (Gesellschafter bürgerlichen Rechts) hatten im Jahr 2000 am selben Tag zwei Depotposten an Wertpapieren veräußert, die erheblich im Kurswert gesunken waren. Bei beiden Wertpapierbeständen war die einjährige Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen. An demselben Handelstag kauften die beiden Anleger beide Wertpapiere in derselben Anzahl wieder zurück. Hätten sie ihren Verlust erst nach Ablauf der Spekulationsfrist eingefahren, hätten sie ihn nicht mit Spekulationsgewinnen verrechnen dürfen. Dank dieses Steuer-Tricks jedoch machten sie in ihrer 2000er Steuererklärung einen Spekulationsverlust von umgerechnet rund 53.700 Euro geltend. Das Finanzamt erkannte die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften aber nicht an. Begründung: Der Verkauf und Kauf der Wertpapiere am selben Tag und in derselben Anzahl zur Realisierung von Spekulationsverlusten innerhalb der Spekulationsfrist sei ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO.
Bislang haben die deutschen Finanzgerichte dieses Steuersparmodell mit einer Mehrheit von 2:1 Urteilen abgesegnet. Außer Baden-Württemberg entschied auch das FG Münster zugunsten der Steuerzahler (Urteil vom 14. März 2007, Aktenzeichen: 10 K 3380/04 E). Das FG Schleswig-Holstein hatte das Steuermodell am 14. September 2006 abgelehnt (Aktenzeichen: 5 K 286/03). Gegen diese Entscheidung ist eine Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH) anhängig (Aktenzeichen: IX R 55/07).
Steuer-Tipp: Das neue Urteil Baden-Württembergs macht Mut. Doch als betroffener Kapitalanleger sollten Sie nicht bis an die Grenzen des Steuersparmodells "Verkauf und zeitnaher Rückkauf" gehen, denn damit bauen Sie ausschließlich auf eine steuerzahlerfreundliche BFH-Entscheidung. Gehen Sie auf Nummer sicher, indem Sie nach dem Verkauf verlustreicher Aktien eine möglichst lange Schamfrist einhalten und erst dann zurückkaufen. Steuerexperten raten zu einem halben Jahr. Ein früherer Wiedereinstieg dürfte dann unbedenklich sein, wenn neue wirtschaftliche Gründe dafür sprechen.
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